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Enerige & Management > Frankreich - Inwieweit der Binnenmarkt zur Disposition steht
Quelle: Fotolia / daboost
FRANKREICH:
Inwieweit der Binnenmarkt zur Disposition steht
Der Rassemblement National könnte am 8. Juli über eine Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen. Was würde das für die französische Energiepolitik bedeuten?
 
In den letzten Tagen vor der Wahl haben die Spitzenpolitiker der Rassemblement National (RN) ihre Rhetorik gemäßigt. Der Vorsitzende, Jordan Bardella, will aus Frankreich „wieder einen attraktiven und innovativen Produktions-Standort“ machen. Das würde man im Lager von Präsident Macron nicht anders formulieren. Von einer Besteuerung der „Kriegsgewinnler“, wie Marine Le Pen die internationalen Energiekonzerne nennt, die in der Krise hohe Gewinne eingefahren haben, ist nicht mehr die Rede. Nur die Stromkonzerne sollen einen Teil ihrer krisenbedingten Profite beim Staat abliefern – aber das hatte bereits die Regierung der „Macronisten“ in die Wege geleitet. Der RN will ihnen nur noch etwas mehr abnehmen.

Auch mit Blick auf die erneuerbaren Energien versucht Bardella die gemäßigten Wähler der Mitte nicht zu verschrecken. Bei der Vorstellung seines Programms bekräftigte er zwar die Absicht des RN, ein „Moratorium für den Bau neuer Windparks“ zu verhängen. Anlagen, die bereits im Betrieb sind, sollen aber weiterlaufen. Als Präsidentschaftskandidatin hatte Marine Le Pen vor zwei Jahren noch verlangt, alle Subventionen für „fluktuierende Energien“ zu streichen und die Windräder schrittweise abzubauen.

Ein Moratorium für die Photovoltaik erwähnte Bardella bei der Vorstellung seines Regierungsprogrammes nicht. Stattdessen soll die Herstellung von Solarpaneelen in Frankreich „durch Zölle auf europäischer Ebene“ wiederbelebt werden.

Die Lobbyisten der Wind- und Solarbranche sind vom Sinneswandel der Rechtsradikalen allerdings nicht überzeugt. Schon das Windmoratorium werde der Branche, die direkt und indirekt 28.000 Menschen beschäftigt, schweren Schaden zufügen. In der Solarindustrie gibt es gegenwärtig 16.000 Arbeitsplätze. Investitionen würden vorerst kaum getätigt, sagt Daniel Bour, der Präsident des Branchenverbandes der Erneuerbaren, Enerplan.

​Idee eines französischen Strompreises

Sorgen machen den Betreibern der Windräder und Solaranlagen vor allem zwei Elemente in den Ankündigungen der Rechten: der verstärkte Ausbau der Atomkraft und das Hadern mit der europäischen Energiepolitik.

So hat der wichtigste Verbündete des RN, Eric Ciotti, verlangt: „Frankreich muss aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen.“ Der Chef der ehemaligen Gaullisten-Partei Les Republicains verspricht sich davon mehr Autonomie für die französische Energiepolitik und niedrigere Strompreise. Bardella spricht von einem „französischen Strompreis“. Die Idee, sich vom teuren deutschen Elektrizitätsmarkt abzukoppeln, gibt es auch in anderen EU-Staaten. Experten erwarten vor allem höhere Preisschwankungen, wenn der französische Markt nicht mehr mit dem Binnenmarkt verbunden wäre.

Im Programm des RN wird die Forderung nach einem Ausstieg aus dem Binnenmarkt nicht ausdrücklich, aber indirekt erhoben: „Wir wollen, dass die Energiepreise, die unsere Wettbewerbsfähigkeit schwächen, nicht mehr nach den europäischen Regeln gebildet werden.“ Das zielt vor allem auf den Strommarkt ab, auf dem die Großhandelspreise nach der Merit-Order gebildet werden und sich am teuersten Anbieter orientieren.

Gegenwärtig sind die Preise im französischen Stromgroßhandel etwa halb so hoch wie in Deutschland. Ein Grund dafür ist, dass die Exportmöglichkeiten durch einen technischen Fehler beschränkt sind. Atomstrom, immer mehr Strom aus PV-Anlagen und Windparks sorgen dafür, dass das Angebot deutlich höher ist als die Nachfrage nach Strom.

Der RN hofft, dass eine Abschottung des französischen Elektrizitätsmarktes dauerhaft zu einem größeren Angebot vor allem von billigem Atomstrom im Inland führt und den französischen Verbrauchern zugutekommt. Verstärken wollen Bardella und seine Parteifreunde diesen Effekt durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie, einschließlich Kraftstoffe, von 20 auf 5,5 Prozent.

In Brüssel möchte man die Unabhängigkeitsphantasien der französischen Rechtsradikalen nicht kommentieren, verweist aber nicht ohne eine gewisse Schadenfreude auf das Jahr 2022, in dem ein großer Teil der französischen Atommeiler aufgrund von Reparaturarbeiten oder mangelndem Kühlwasser vom Netz genommen werden musste. 2022 musste Frankreich netto 70 Milliarden kWh Strom aus den Nachbarländern importieren.

Neue Reaktoren vorgesehen

Um aus Frankreich ein „Energieparadies“ zu machen, setzt der RN vor allem auf die Atomenergie. Energie müsse „reichlich, preiswert und emissionsarm vorhanden sein“, um Frankreich zu reindustrialisieren, heißt es im Programm des RN. Weil die Regierung die Nuklearwirtschaft in den letzten Jahren vernachlässigt habe, gebe es allerdings Nachholbedarf. Der „Marie-Curie-Plan“ des RN soll dafür sorgen, dass neue Reaktoren gebaut werden.

Investieren will der RN auch in neue Wasserkraftwerke, um das Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien zu erhöhen. Der Strom aus diesen Kraftwerken soll allerdings „nicht der von Brüssel gewollten Konkurrenz“ ausgeliefert werden. Die französischen Rechtsradikalen halten grundsätzlich am Pariser Klimaabkommen fest und wollen aus der Verstromung von Kohle aussteigen. Die Kraftwerke sollen danach mit Biomasse weiterbetrieben werden – und nur für die Franzosen da sein.
 

Tom Weingärtner
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 05.07.2024, 10:49 Uhr

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