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Enerige & Management > Strom - Industriestrompreise zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
STROM:
Industriestrompreise zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Wie viel Entlastung benötigt die Industrie bei den Stromkosten? Und wie ließe sich das umsetzen? Die bayerische Wirtschaft suchte in München nach Antworten.
 
„Ich wünsche mir eine sichere Versorgung mit grünem Strom, der uns maximal vier bis fünf Cent pro Kilowattstunde kostet“, sagte Christian Essers, zuständig für Energiebeschaffung im Chemiekonzern Wacker. Bei einer Diskussionsrunde, zu der die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) am 12. Dezember eingeladen hatte, brachte er damit den Saal zum Schmunzeln. „Bezahlbare Strompreise“ lautete das Thema. 

„Wir zahlen an unserem US-Standort, an dem wir das Gleiche herstellen wie in Bayern, sechs Cent“, berichtete der Einkaufsmanager. Esser hob die Volatilität der Industriestrompreise in Deutschland hervor. „Die Stunde 18, in der wir gerade sind, kostet heute 818 Euro pro Megawattstunde“, sagte er. Seit 1. Oktober befinde sich der stromintensive Bereich von Wacker im bayerischen Chemiedreieck in Kurzarbeit, weil die Produkte nicht zuletzt durch die Stromkosten international nicht mehr so wettbewerbsfähig seien, „wie wir es gerne hätten.“

Das internationale Preisgefälle verdeutlichte Sven Kreidelmeyer, Projektleiter beim Marktforschungsunternehmen Prognos. Nach einer neuen Studie im Auftrag der VBW liegt der mittlere mengengewichteter Strompreis in der Europäischen Union bei ungefähr 14 Ct/kWh. In den USA beträgt er rund 8 Ct/kWh, wobei es „große regionale Unterschiede“ gebe, so Kreidelmeyer. In China schlägt Industriestrom laut Erhebung mit 7 bis 9 Cent zu Buche.

Beschaffungskosten ausschlaggebend

Im europaweiten Vergleich sei Deutschland im ersten Halbjahr von Platz 14 auf 22 abgerutscht, so der Marktforscher. Bei einem Jahresverbrauch zwischen 20 bis 70 Millionen kWh lag der Preis im ersten Halbjahr nach Eurostat-Daten bei 16,85 Ct/kWh. Teurer war der Strom in Ungarn, Tschechien, Kroatien, Irland und Zypern. In Italien (Rang 16) kostete Strom gut 15 Ct/kWh, in Frankreich lag er über 11 Ct/kWh.
 
Strompreise in Europa
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Quelle: Prognos AG

Bei den Strompreisen für energieintensive Unternehmen – Jahresverbrauch ab 150 Millionen kWh – kam Deutschland auf 11,4 Ct/kWh. Mehr bezahlen mussten Betriebe in Ungarn, Slowakei, Österreich, Niederlande und Irland.

Die Frage der Senkung von Netzentgelte sieht Kreidelmeyer für kleinere Betriebe und Haushalte im Vordergrund. „Netzentgelte machen in der absoluten Höhe gerade für die energieintensive Industrie nicht so viel aus“, betonte er. Sein Fazit: „Für stromintensive Branchen stehen die Beschaffungskosten und damit die Stromgroßhandelspreise im Fokus.“

VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt bezeichnete bezahlbare Strompreise als „zentralen Baustein einer Wirtschaftswende“. Die Stromsteuer müsse auf das europäische Mindestniveau fallen, dauerhaft für alle Branchen. Zudem seien weitere Entlastungen wie Netzkostenzuschüsse notwendig, sagte Brossardt. Seine zentrale Forderung: „Wir brauchen einen international wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis.“
 
Zusammensetzung der Strompreise
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Quelle: Prognos AG

Damit rannte er bei Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freier Wähler) offene Türen ein. Der Minister plädierte für einen „Wirtschaftsstrompreis, der nicht nur für die große Industrie ist, sondern der muss runter bis in den Mittelstand gehen“.

Aiwanger sprach von einem „massiven Substanzverlust“ der Wirtschaft. Ein Substanzverlust, für den auch die „zu hohen Personalkosten, unflexible Arbeitszeiten und die deutlich zu hohen Steuern“ ursächlich seien.

Katharina Grave, Fachreferentin im Bundeswirtschaftsministerium, erinnerte an europäische Wettbewerbsvorgaben. „In Deutschland können wir nicht einfach sagen, das ist der Industriestrompreis.“ Bei der Entlastung der energieintensiven Industrie sei man hierzulande bereits sehr nah an dem, „was wir politisch erreichen können“, sagte sie. Und: Die mittelständische Industrie, die nicht stromintensiv ist, habe inzwischen wieder Strompreise ähnlich wie Jahr 2017.

Bayernwerk: Spitzenkappung wieder einführen

Gegenwärtiger „Knackpunkt“ aus Graves Sicht: „Wie kommen wir an Flexibilität im System? Wenn wir viele Batterien haben, die auf Strompreise reagieren, dann führt das dazu, dass die Strompreise insgesamt ausgeglichener werden.“

Drei Vorschläge, um gleichzeitig Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit zu erreichen, machte Andreas Kießling, Bereichsleiter beim Verteilnetzbetreiber Bayernwerk. Bei Erneuerbaren sollte die Vergütung bei negativen Preisen wegfallen. Zudem brauche es einen Kapazitätsmarkt, der auch dezentrale Potenziale hebt. Außerdem: So paradox, das erstmal klinge: „Ich würde sofort wieder die Spitzenkappung einführen.“
 

Manfred Fischer
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Freitag, 13.12.2024, 15:12 Uhr

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