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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - Industrie ruft nach dem Regulierer
Der Hauptsitz der Bundesnetzagentur in Bonn. Quelle: Bundesnetzagentur
E&M VOR 20 JAHREN:
Industrie ruft nach dem Regulierer
Vor 20 Jahren sparte die Industrie nicht mit Kritik am ihrer Meinung nach beherrschenden Einfluss der vier großen Energiekonzerne in Deutschland auf den Markt.
 
Auch vor 20 Jahren war der Strompreis ein Aufreger. Nachdem sich nach der Liberalisierung des Strommarkts 1998 der Wettbewerb zunächst durch sinkende Preise bemerkbar gemacht hatte, zogen diese in den Folgejahren spürbar an. Besonders die energieintensive Industrie meldete sich immer wieder mit Kritik zu Wort.

Im Sommer 2004 berichtete E&M-Chefreporter Ralf Köpke über die Kritik des VIK.
 
 
Mit ungewöhnlich scharfer Kritik an der Marktdominanz von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW hat der VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft Anfang Juli die vier großen Verbundunternehmen für die seit Monaten steigenden Strompreise verantwortlich gemacht.

Die Kritik war so deutlich und massiv wie noch nie: Wer verantwortlich ist, daran gibt es für die energieintensiven Betriebe aus den Branchen Aluminium, Chemie, Stahl und Zement keinen Zweifel. „Da die großen vier der Stromwirtschaft, Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, sowohl den Erzeugungsmarkt als auch die Netze beherrschen, haben neue Marktteilnehmer trotz der seit 1998 formell herrschenden Liberalisierung hierzulande keine Chance im Wettbewerb“, klagte in Düsseldorf Gerhard Hirth, stellvertretender Vorsitzender des VIK. Klare Worte, die es aus den Reihen des Verbandes nicht immer gab.

Nicht nur die innerhalb der vergangenen beiden Jahre um einen zweistelligen Prozentsatz gestiegenen Großhandelspreise sind den industriellen Großverbrauchern ein Dorn im Auge, sondern auch die ihrer Ansicht nach überhöhten Netznutzungsentgelte. „Es kann nicht sein, dass die Stromkonzerne auf der Höchstspannungsebene Umsatzrenditen um die 30 Prozent erzielen“, beklagt sich Wilfried Köplin von der Bayer Industry Services GmbH über „marktwidriges Verhalten des Stromoligopols“. Als Ausweg sieht der VIK eine „schlagkräftige Regulierung“, ohne die es, so Gerhard Hirth, keinen Wettbewerb geben werde.

Deutschland hat auf Sonderweg gesetzt

Diese Forderung bedeutet für den Lobbyverband einen bemerkenswerten Schwenk: Zu Beginn der Marktöffnung hatte der VIK zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie auf freiwillige Verbändevereinbarungen mit der Stromwirtschaft gesetzt. Nur Deutschland hatte innerhalb der alten EU-15 diesen Sonderweg beschritten, alle anderen 14 Mitgliedsländer hatten von Beginn an auf eine Wettbewerbsbehörde gesetzt. Dass sich der VIK in der Frühphase an der Verbändevereinbarung beteiligte, bewertet Geschäftsführer Alfred Richmann nicht als Fehler: „Jedes Instrument hat seine Zeit und wir waren anfangs mit der Verbändevereinbarung durchaus erfolgreich.“

Aktuell beklagt der VIK, dass die Regulierungsbehörde nicht zum 1. Juli ihre Arbeit aufgenommen hat. Denn nach wie vor fehlt dafür die legislative Grundlage. Die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes, für die das Bundeswirtschaftsministerium federführend zuständig ist, wird, so die Einschätzung aus Berliner Kreisen, nicht vor Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten. Um in der Zwischenzeit nicht weitere Preissteigerungen hinnehmen zu müssen, fordern die mehr als 30 im VIK organisierten Branchen eine Deckelung des derzeitigen Niveaus.

Nicht die einzige Forderung: Die neue Regulierungsbehörde müsse in einem 100-Tage-Programm vor allem die Netznutzungspreise überprüfen. Dafür müsse der sogenannte Kalkulationsleitfaden, mit dem die Tarife ermittelt werden, gründlich überarbeitet werden.
 
„Eine Mindestverzinsung zu verlangen, ist nicht akzeptabel“

Dass die Netzbetreiber, die weitestgehend mit den großen vier der Strombranche identisch sind, das hohe Preisniveau mit Investitionen in die Versorgungssicherheit begründen, können die Großverbraucher nicht nachvollziehen: „In den vergangenen fünf Jahren sind die jährlichen Aufwendungen für den Netzerhalt von gut dreieinhalb auf zwei Milliarden Euro gefallen“, rechnet Energiemanager Karl Klossok von der ThyssenKrupp AG vor. „Dass die Netzbetreiber bei steigenden Gewinnen und sinkenden Investitionen bei der Gesetzesnovelle nun eine garantierte Mindestverzinsung für ihr eingesetztes Kapital verlangen, ist eine nicht akzeptable Branchenschutzpolitik“, kritisiert Alfred Richmann.

Ob allerdings die neue Wettbewerbsbehörde die Strompreise, wie von der Industrie gewünscht, senken kann, ist angesichts der bislang bekannt gewordenen und kaum überzeugenden Entwürfe für das neue Energiegesetz wenig wahrscheinlich.

Daher dürfte für viele Betriebe der Einstieg in die Eigenstromerzeugung interessant sein. Angesichts der rasant fallenden Preise unmittelbar nach der Marktliberalisierung hatte eine Vielzahl von Unternehmen ihre Kraftwerke stillgelegt. Für die Trendumkehr könnte die Norddeutsche Affinerie AG, Europas größte Kupferhütte mit Sitz in Hamburg, sorgen. Vorstandschef Werner Marnette ist dabei, zusammen mit der Electrabel Deutschland AG den Bau eines eigenen Kraftwerkes sowie einer Hochspannungsleitung zu prüfen.

Interessant wäre dieses Kraftwerk auch für andere Großverbraucher an der Elbe. „Es laufen entsprechende Gespräche“, bestätigt Irmtraud Pawlik, Geschäftsführerin der Hydro Aluminium Deutschland GmbH. Ihr Interesse kommt nicht von ungefähr: Der Vattenfall-Konzern hatte Hydro Aluminium jüngst zwei längerfristige Verträge mit günstigen Bezugskonditionen gekündigt. Weiter steigende Strompreise, so Pawlik, gingen an die Existenzfähigkeit: „Eine Strompreiserhöhung von nur einem Cent schlägt bei uns gleich mit 80 Millionen Euro zu Buche.“
 
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Samstag, 13.07.2024, 17:30 Uhr

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