
Aus dem jüngsten Bericht der europäischen Regulierungsagentur (Acer) und des Rates der Europäischen Regulierungsbehörden (CEER),
der am 27. Oktober in Brüssel vorgelegt wurde, geht hervor, dass die Energiepreise in Europa immer höher werden. Als eine
Ursache haben die Aufseher über die europäischen Energiemärkte die Regulierung der Energiepreise ausgemacht. Dadurch würden
Anbieter von einzelnen, nationalen Märkten ferngehalten.
In vielen EU-Staaten fehle es außerdem an „intelligenten Zählern“ und Vergleichsportalen. Die Verbraucher könnten sich deshalb
oft nicht den günstigsten Lieferanten aussuchen.
Im Durchschnitt stiegen die Strompreise in der EU 2019 um 3,7 % auf 21,6 Cent je Kilowattstunde. Industriekunden zahlten 11
Ct/kWh, 7,8 % mehr als 2018. Im Einzelnen verlief die Entwicklung allerdings unterschiedlich. Während private Haushalte in
Dänemark (-5,5 %) und Griechenland (-5,2 %) deutlich weniger für Strom bezahlten, stiegen die Preise in den Niederlanden um
20,8 % und in Litauen um 14,4 %.
Deutschland beim Strompreis an erster Stelle
Die höchsten Strompreise zahlten die privaten Haushalte in Deutschland: 29,8 Ct/kWh, dreimal so viel wie in Bulgarien mit
9,8 Cent. Noch größer waren die Unterschiede für die Unternehmen. Industriekunden in Dänemark mussten 22,2 Ct/kWh bezahlen,
in Luxemburg waren es weniger als 5 Ct/kWh.
Für private Gaskunden stiegen die Preise kaum weniger: plus 3,1 % auf 6,5 Ct/kWh im Durchschnitt. Auch hier gibt es weiter
große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Sie reichen von 11,8 Cent in Schweden bis 3,4 Ct/kWh in Rumänien. Industriekunden
zahlten dagegen 8,5 % weniger, im Durchschnitt waren es 2,6 Ct/kWh. Die Preisunterschiede reichten von 6 Cent in Dänemark
bis 2,1 Cent in Frankreich.
Dabei ging die Schere zwischen den Einzelhandels- und den Großhandelspreisen weiter auseinander. Die Regulierer haben festgestellt,
dass steigende Großhandelspreise schnell und meistens vollständig an die Endkunden weitergegeben werden. Gehen die Großhandelspreise
dagegen zurück, macht sich das für die Verbraucher nur teilweise und mit großer Verzögerung bemerkbar. Auf diese Weise seien
die Margen in den letzten Jahren vor allem in Deutschland, Irland und Belgien deutlich gestiegen.
Die Regulierer der EU machen dafür mangelnden Wettbewerb verantwortlich. Die Verbraucher müssten besser informiert werden,
brauchten mehr Auswahl zwischen Anbietern und sie müssten in die Lage versetzt werden, ihren Anbieter schnell und leicht zu
wechseln.
Abgaben höher als Preis für den Strom
Allerdings haben die Verbraucher über die Wahl ihres Lieferanten immer weniger Einfluss auf den Preis. Denn der Anteil ihrer
Strom- und Gasrechnung, der auf den Lieferanten entfällt, geht immer mehr zurück. Auf die elektrische Leistung entfielen 2019
nur noch 37 % der gesamten Rechnung, der Rest entfiel auf Netzentgelte, Umlagen, Steuern und andere Abgaben, auf die auch
die Lieferanten keinen Einfluss haben. Alleine die Finanzierung von Beihilfen für Windräder und PV-Anlagen machten im vergangenen
Jahr 14 % (Deutschland: 20 %) der Rechnung aus.
Deutlich weniger Gemeinkosten müssen die Gaskunden tragen. Hier belaufen sich die Abgaben für Netze, Steuern und Abgaben auf
etwas mehr als die Hälfte des Endpreises.
Die Entwicklung der letzten Jahre dürfte sich nach Ansicht von Acer und CEER weiter fortsetzen. Langsam kämen mehr Anbieter
auf den Markt, heißt es in dem Bericht, auch wenn die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der EU groß blieben. Die Wege
der einzelnen EU-Staaten zur Liberalisierung ihrer Strom- und Gasmärkte blieben unterschiedlich. In vielen Ländern gebe es
weiter Eingriffe in die Preisbildung, in der Regel zum Schutz der Verbraucher.
Der Energiepreis-Bericht kann auf der Internetseite des Rates der Europäischen Regulierungsbehörden heruntergeladen werden.
Mittwoch, 28.10.2020, 09:01 Uhr