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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - Europäischer Pass für Finanzdienstleister
Quelle: E&M
E&M VOR 20 JAHREN:
Europäischer Pass für Finanzdienstleister
Vor 20 Jahren schritt die Liberalisierung der Energiemärkte in Europa voran, ohne jedoch eine einheitliche Grundlage für das Trading zu haben.
 
In den Anfangsjahren des Energiehandels nach der Liberalisierung der Energiemärkte 1998 und noch vor der Gründung der Energiebörsen in Deutschland war die Verunsicherung im Markt groß. Jonglieren Trader im Energiemarkt womöglich mit Finanzinstrumenten? Unterliegt der Handel mit Energiederivaten der Finanzaufsicht? Gibt es eine Erlaubnispflicht für Trades mit physischer Erfüllung? Diese und noch viel mehr Fragen, beschäftigten damals Politiker, Praktiker und Juristen.

Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (Bakred) – Vorläufer der heutigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) – legte vor 20 Jahren im Dialog mit der Branche die Grundlagen seiner Regulierungspraxis. Doch immer wieder richtete sich der Blick auch nach Brüssel.

E&M-Redakteur Fritz Wilhelm verfolgte damals die Entwicklungen bei der Finanzaufsicht in Deutschland und Europa. Hier sein Beitrag von 2004.




Mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 30. April dieses Jahres trat die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (2004/39/EG) in Kraft. Diese wird erstmals einen europaweiten Rechtsrahmen für die Ausführung von Handelsaufträgen durch Finanzdienstleister, Börsen und alternative Handelssysteme schaffen. Die Richtlinie nimmt, wie unter Erwägung 4 auf Seite 1 nachzulesen ist, ausdrücklich Warenderivate, „die so konzipiert sind und gehandelt werden, dass sie unter aufsichtsrechtlichen Aspekten traditionellen Finanzinstrumenten vergleichbar sind“, in die Liste der Finanzinstrumente auf. Derivate auf Strom und Gas, aber auch auf Öl oder Wärme gehören demnach dazu. Die Mitgliedstaaten müssen nun die Vorgaben innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umwandeln.

Die bisher geltende Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 (93/22/EG) hatte sich lediglich auf die „traditionellen“ Finanzinstrumente erstreckt, die beispielsweise Wertpapiere, Zinssätze oder Währungen als Grundlage haben. Wie unterschiedlich die bisherige nationale Aufsichtspraxis von Energiederivatgeschäften ist, konnten auch die über 100 Teilnehmer einer internationalen Konferenz, die die Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik (GEE) in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) in Berlin zu diesem Thema veranstaltete (alle Vorträge dieser Veranstaltung stehen im Internet unter www.gee.de  zum Herunterladen zur Verfügung) erfahren, als Vertreter der Finanzaufsichtsbehörden der Niederlande, Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs und Norwegens über die Situation in den jeweiligen Ländern referierten. Die sich anschließende Diskussion zwischen Marktteilnehmern, Politikern, Behördenvertretern sowie Börsen- und Handelsplattformbetreibern aus verschiedenen europäischen Ländern mündete in der Erkenntnis, dass der Markt sehr wohl eine gewisse Aufsicht benötige, allerdings eine Aufsicht mit „Augenmaß“.

Neben Optionen, Terminkontrakten, Swaps und anderen Derivaten auf bar abzurechnende oder in bestimmten Fällen tatsächlich physisch zu erbringende Lieferungen erstreckt sich die neue Richtlinie aber auch auf Derivate in Bezug auf Klimavariablen und Emissionsberechtigungen. Somit wird sie nach Meinung von Ines Zenke, Rechtanwältin und Partner bei BBH, den europäischen Energiegroßhandel wesentlich beeinflussen, da trotz einiger Ausnahmebestimmungen alle Marktteilnehmer von der Richtlinie betroffen sein werden.

Einerseits dürfte allgemein als große Erleichterung die Einführung des so genannten „europäischen Passes“ angesehen werden. Das heißt, wer in seinem Herkunftsland als Finanzdienstleister bzw. Wertpapierhändler zugelassen ist, kann nun entsprechende aufsichtspflichtige Leistungen in allen anderen EU-Staaten erbringen. Andererseits weiten jedoch Regelungen der neuen Richtlinie die Aufsichtspflichtigkeit auch auf bestimmte Dienstleistungen aus, wie z.B. die Beratung hinsichtlich des Abschlusses von Derivatgeschäften, was in der Händlerszene weniger Beifall finden dürfte.

Neben der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wird aktuell auch die so genannte Kapitaladäquanzrichtlinie modifiziert, die die Eigenmittelanforderungen der Banken und Finanzdienstleister europaweit regelt. Die Besonderheiten des Energiemarkts werden darin bislang nicht berücksichtigt. Nach Ansicht von Ines Zenke wären für die Energiewirtschaft undifferenzierte Vorgaben jedoch problematisch, nicht zuletzt da auch die mittlerweile entwickelten nationalen Lesarten dieser Richtlinie, welche die Gepflogenheiten des Energiemarkts weitgehend berücksichtigen – so beispielsweise im Rahmen des Derivatebegriffs und der Eigenmittelunterlegung für Marktpreisrisiken im Strombereich – damit wieder in Frage gestellt würden.
 
 

Fritz Wilhelm
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