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Enerige & Management > Gas - Europa im Schlingerkurs gegenüber Russland
Quelle: Shutterstock / Igor Grochev
GAS:
Europa im Schlingerkurs gegenüber Russland
Aufrufe zur Reduzierung von Gasimporten aus Russland fruchteten nicht.  Nun will die EU gegensteuern. Mitgliedsstaaten sollen Lieferungen künftig rechtlich verbieten können.
 
Der Rat und das Parlament der Europäischen Union einigten sich im Dezember auf eine Verordnung zur Etablierung eines Wasserstoff- und Gasmarktes. Diese enthält laut offizieller Ratsmitteilung Bestimmungen, auf deren Grundlage Mitgliedsstaaten die Lieferung von Erdgas und verflüssigtem Erdgas (LNG) aus Russland und Belarus begrenzen können, um die Sicherheitsinteressen der EU mit Rücksicht auf Versorgungs- und Diversifizierungszielen zu schützen.

Russischer LNG-Lieferrekord nach Europa im November

Europäische Unternehmen haben sich schwergetan, den Anrufen der EU, weniger russisches LNG einzukaufen, zu folgen. Im Gegenteil berichteten Medien im Dezember darüber, dass die russischen LNG-Exporte nach Europa nach Angaben von Kpler im November mit 1,75 Millionen Tonnen den Rekord vom Dezember 2022 mit 1,74 Millionen Tonnen überboten hätten. Die erwartete Jahresmenge 2023 soll hochgerechnet aus den Lieferungen der vergangenen Monate mit mehr als 16 Millionen Tonnen LNG (rund 23 Milliarden Kubikmeter Gas) im Rahmen des Vorjahresniveaus liegen.

Das meiste davon landet in Häfen von Spanien, Belgien und Frankreich an. Kleinere Mengen werden in die Niederlande, nach Griechenland, Finnland und Schweden verschifft. Nur Großbritannien, Polen und die baltischen Staaten lehnten russisches LNG ab, berichtete der Kommersant am 11. Dezember. Die Europäische Kommission rechne 2023 mit russischen Gasimporten inklusive LNG in Höhe von 40 bis 45 Milliarden Kubikmetern gegenüber 80 Milliarden Kubikmetern 2022 und 155 Milliarden Kubikmetern 2021. 
Geht im kommenden Januar die erste Produktionslinie von Arctic LNG 2 auf der Halbinsel Gydan am russischen Nordmeer in Betrieb, können die LNG-Transporte nach Europa weiter steigen, zumal die Transportkosten vergleichsweise günstig sind. Dieses Projekt des größten russischen LNG-Produzenten Novatek steht seit Anfang November auf der offiziellen Sanktionsliste der USA.

Total Energies ist sowohl an Novateks Projekt Arctic LNG 2 als auch am Werk Yamal LNG auf der Yamal-Halbinsel gegenüber von Gydan beteiligt und verfügt über Langfristverträge. Die Sanktionen der USA prüft das französische Unternehmen. Ob die angekündigten Bestimmungen der EU zur Lieferbeschränkung etwas ausrichten, ist ebenso unklar wie die Wirkung der Sanktionen der USA.

Bulgarien verzichtet auf Transportgebühr

Per Pipeline exportiert der russische Gaskonzern Gazprom über die Ukraine und die Schwarzmeergasleitung Turkish Stream Gas nach Europa. Zusammen weisen beide Transportoptionen eine Kapazität von gut 30 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr auf. Hauptabnehmer sind Österreich und Ungarn. Das Gas von Turkish Stream wird über die Türkei und Bulgarien weiter nach Serbien und Ungarn durchgeleitet.

Bulgarien importiert seit der Zahlungspflicht in Rubel kein russisches Gas mehr und hatte im Oktober eine Transportgebühr für die Durchleitung von Schwarzmeergas in Höhe von 10 Euro/MWh festgesetzt. Ein Ziel war neben milliardenschweren Einnahmen, LNG-Importe durch höhere Transportkosten per Pipeline wettbewerbsfähiger zu machen.

Im Dezember berichteten Medien, dass sich die bulgarischen Regierungsparteien darauf verständigt hätten, von dieser Gebühr abzusehen, um den Beitritt in den grenzfreien Schengenraum nicht zu gefährden. „Wir sind Schengen sehr nahe und sollten diese Chance wegen der Gebühren nicht verstreichen lassen. Deshalb sehen wir davon ab“, erklärte der ehemalige Ministerpräsident und Chef der mitregierenden Mitte-Rechts-Partei GERB, Bojko Borissow im Parlament.

Vor dem EU-Gipfel Mitte Dezember bestätigte der bulgarische Ministerpräsident Nikolay Denkov Euractiv zufolge, dass Ungarn mit einem Veto gegen Bulgariens Schengen-Beitritt gedroht habe, wenn die besagte Transitgebühr für russisches Gas nicht wegfallen sollte. Ungarn und Serbien, aber auch Österreich befürchteten durch sie höhere Preise. Geplant hatte Bulgarien, Gazprom zur Kasse zu bitten.
 

Josephine Bollinger-Kanne
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Dienstag, 19.12.2023, 11:02 Uhr

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