RECHT:
Erste Blockaden von Windturbinen in NRW aufgegeben
Die Landesregierung NRW knickt im Streit um ausgesetzte Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen ein. Über 40 gestoppte Windturbinen haben nun eine Chance auf kurzfristigen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für Nordrhein-Westfalen muss im Streit um aufgehaltene Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen
möglicherweise nicht mehr eingreifen. Die ersten der seit Sommer gestoppten Anlagen im Kreis Soest gehen nun kurzfristig zurück
in den Genehmigungsprozess.
Das OVG in Münster teilte auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass aktuell noch 17 Verfahren „anhängig“ seien. Der Windkraft-Senat sei allerdings informiert, dass zunächst der Kreis Soest seine Rückstellungsbescheide aufheben wolle. Dabei handelt es sich um neun Verfahren, wie ein Sprecher der übergeordneten Bezirksregierung Arnsberg auf Anfrage der Redaktion mitteilte.
Ob Arnsberg auch sieben weitere Aussetzungsbescheide in anderen Landkreisen (Hochsauerland) aufhebt, sei noch in der Prüfung, so der Sprecher. Hinzu kommt ein offenes Verfahren aus dem Regierungsbezirk Detmold. Erst wenn beide Seiten, Behörde und das jeweils klagende Windkraftunternehmen, die Verfahren für erledigt erklären, seien sie offiziell vom Tisch, so eine Sprecherin des OVG. Das ist aber nur noch Formsache.
Für die Landesregierung das Eingeständnis eines Fehlers
Mit der Anweisung der Bezirksregierung Arnsberg an die untere Genehmigungsbehörde im Landkreis Soest, sämtliche Rückstellungsbescheide aufzuheben, gesteht die schwarz-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalens indirekt einen schweren handwerklichen und politischen Fehler ein.
Denn damit erkennt die Düsseldorfer Koalition an, dass ein von ihr geschaffener Paragraf im Landesplanungsgesetz tatsächlich rechtswidrig ist. Den Paragraf 36 (3) hatte die Landesregierung mit ihrer Mehrheit im Landtag extra durchgeboxt, um bestimmte Anträge für Windkraftanlagen zwölf Monate auf Eis legen zu können. Damit sollten die sechs Planungsregionen in NRW sozusagen ungestört bis Mitte 2025 ihre Flächenausweisungen gemäß Wind-an-Land-Gesetz des Bundes umsetzen können (wir berichteten).
Allerdings reichen Windkraftprojektierer weiter ihre teils jahrelang vorbereiteten Genehmigungsanträge im Land ein. Die gewünschten Turbinen liegen dabei auch in Gebieten, die von den inzwischen bekannten Entwürfen für die regionalen Windkraft-Flächen ausgenommen sein sollen. In diesem Interessenskonflikt hatte das OVG bis Anfang Oktober in bereits zwei Einzelfällen entschieden, dass die Rückstellungsbescheide aufzuheben seien.
Der Druck auf die Landesregierung war entsprechend gewachsen, sich zu ihrem offenkundig untauglichen Paragrafen zu äußern. Die Opposition im Landtag fordert die Abschaffung. Schwarz-Grün beharrt indes darauf, dass die gewollte Steuerung des Windkraftausbaus nach wie vor richtig sei.
Branchenverband wettert gegen die „Mär vom Wildwuchs“
Weil das Landesplanungsgesetz sich mit den Blockaden von Anträgen allerdings über Bundesrecht stellt, sieht Düsseldorf nur eine Chance in einer neuen, heilenden Gesetzgebung durch die Bundesregierung. Eine entsprechende Bundesratsinitiative, die auch die Unterstützung von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat, liegt der Ampel in Berlin inzwischen vor. Ob sie Erfolg hat, ist offen.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) sieht sich in der Anweisung der Bezirksregierung Arnsberg an den Kreis Soest in seiner Haltung bestätigt. Seit den parlamentarischen Beratungen zur Einführung des Paragrafen und den ersten Rückstellungen im Sommer habe der Branchenverband stets darauf hingewiesen, dass die Anordnung rechtswidrig sei, so der Sprecher des Verbands, Ralf Köpke, auf Anfrage dieser Redaktion.
Ob in Folge der Anweisung aus Arnsberg sämtliche, bis zu 100 von Rückstellungsbescheiden aufgehaltene Windenergieanlagen in NRW nun kurzfristig wieder ins Verfahren zurückgelangen, ist anzunehmen. Der LEE NRW fordert dies in vollem Umfang.
Die Landesregierung spricht auf eine Anfrage dieser Redaktion davon, dass die Bezirksregierungen „die Hinweise aus dem OVG-Eilbeschluss berücksichtigen“ sollten. Die Aussetzungsbescheide zurückzunehmen, liegt nach dieser Lesart in der Entscheidungsgewalt von Arnsberg, Detmold und Co. Am OVG Münster waren seit Sommer 18 Eilverfahren für insgesamt etwa 50 Turbinen eingegangen. Ein weiteres Eilverfahren im Regierungsbezirk Arnsberg war in den vergangenen Tagen hinzugekommen.
Der LEE NRW verwehrt sich übrigens auch gegen den Eindruck, dass beantragte Anlagen außerhalb der künftigen Vorrangflächen zu einem „Wildwuchs“ von Windkraft führe. Dies sei eine „Mär“, so LEE-NRW-Vorsitzender Hans-Josef Vogel. „Städte und Gemeinden, die ihre Hausaufgaben gemacht und rechtlich korrekte Flächennutzungspläne mit entsprechenden Konzentrationszonen aufgestellt haben, sind überhaupt nicht betroffen.“
Es sei weiter möglich, Windenergieanlagen aufgrund relevanter öffentlicher Belange nicht zuzulassen. „Solche Entscheidungen bedürfen aber guter Gründe, die der Verfassung entsprechen müssen“, so Vogel.
Das OVG in Münster teilte auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass aktuell noch 17 Verfahren „anhängig“ seien. Der Windkraft-Senat sei allerdings informiert, dass zunächst der Kreis Soest seine Rückstellungsbescheide aufheben wolle. Dabei handelt es sich um neun Verfahren, wie ein Sprecher der übergeordneten Bezirksregierung Arnsberg auf Anfrage der Redaktion mitteilte.
Ob Arnsberg auch sieben weitere Aussetzungsbescheide in anderen Landkreisen (Hochsauerland) aufhebt, sei noch in der Prüfung, so der Sprecher. Hinzu kommt ein offenes Verfahren aus dem Regierungsbezirk Detmold. Erst wenn beide Seiten, Behörde und das jeweils klagende Windkraftunternehmen, die Verfahren für erledigt erklären, seien sie offiziell vom Tisch, so eine Sprecherin des OVG. Das ist aber nur noch Formsache.
Für die Landesregierung das Eingeständnis eines Fehlers
Mit der Anweisung der Bezirksregierung Arnsberg an die untere Genehmigungsbehörde im Landkreis Soest, sämtliche Rückstellungsbescheide aufzuheben, gesteht die schwarz-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalens indirekt einen schweren handwerklichen und politischen Fehler ein.
Denn damit erkennt die Düsseldorfer Koalition an, dass ein von ihr geschaffener Paragraf im Landesplanungsgesetz tatsächlich rechtswidrig ist. Den Paragraf 36 (3) hatte die Landesregierung mit ihrer Mehrheit im Landtag extra durchgeboxt, um bestimmte Anträge für Windkraftanlagen zwölf Monate auf Eis legen zu können. Damit sollten die sechs Planungsregionen in NRW sozusagen ungestört bis Mitte 2025 ihre Flächenausweisungen gemäß Wind-an-Land-Gesetz des Bundes umsetzen können (wir berichteten).
Allerdings reichen Windkraftprojektierer weiter ihre teils jahrelang vorbereiteten Genehmigungsanträge im Land ein. Die gewünschten Turbinen liegen dabei auch in Gebieten, die von den inzwischen bekannten Entwürfen für die regionalen Windkraft-Flächen ausgenommen sein sollen. In diesem Interessenskonflikt hatte das OVG bis Anfang Oktober in bereits zwei Einzelfällen entschieden, dass die Rückstellungsbescheide aufzuheben seien.
Der Druck auf die Landesregierung war entsprechend gewachsen, sich zu ihrem offenkundig untauglichen Paragrafen zu äußern. Die Opposition im Landtag fordert die Abschaffung. Schwarz-Grün beharrt indes darauf, dass die gewollte Steuerung des Windkraftausbaus nach wie vor richtig sei.
Branchenverband wettert gegen die „Mär vom Wildwuchs“
Weil das Landesplanungsgesetz sich mit den Blockaden von Anträgen allerdings über Bundesrecht stellt, sieht Düsseldorf nur eine Chance in einer neuen, heilenden Gesetzgebung durch die Bundesregierung. Eine entsprechende Bundesratsinitiative, die auch die Unterstützung von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat, liegt der Ampel in Berlin inzwischen vor. Ob sie Erfolg hat, ist offen.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) sieht sich in der Anweisung der Bezirksregierung Arnsberg an den Kreis Soest in seiner Haltung bestätigt. Seit den parlamentarischen Beratungen zur Einführung des Paragrafen und den ersten Rückstellungen im Sommer habe der Branchenverband stets darauf hingewiesen, dass die Anordnung rechtswidrig sei, so der Sprecher des Verbands, Ralf Köpke, auf Anfrage dieser Redaktion.
Ob in Folge der Anweisung aus Arnsberg sämtliche, bis zu 100 von Rückstellungsbescheiden aufgehaltene Windenergieanlagen in NRW nun kurzfristig wieder ins Verfahren zurückgelangen, ist anzunehmen. Der LEE NRW fordert dies in vollem Umfang.
Die Landesregierung spricht auf eine Anfrage dieser Redaktion davon, dass die Bezirksregierungen „die Hinweise aus dem OVG-Eilbeschluss berücksichtigen“ sollten. Die Aussetzungsbescheide zurückzunehmen, liegt nach dieser Lesart in der Entscheidungsgewalt von Arnsberg, Detmold und Co. Am OVG Münster waren seit Sommer 18 Eilverfahren für insgesamt etwa 50 Turbinen eingegangen. Ein weiteres Eilverfahren im Regierungsbezirk Arnsberg war in den vergangenen Tagen hinzugekommen.
Der LEE NRW verwehrt sich übrigens auch gegen den Eindruck, dass beantragte Anlagen außerhalb der künftigen Vorrangflächen zu einem „Wildwuchs“ von Windkraft führe. Dies sei eine „Mär“, so LEE-NRW-Vorsitzender Hans-Josef Vogel. „Städte und Gemeinden, die ihre Hausaufgaben gemacht und rechtlich korrekte Flächennutzungspläne mit entsprechenden Konzentrationszonen aufgestellt haben, sind überhaupt nicht betroffen.“
Es sei weiter möglich, Windenergieanlagen aufgrund relevanter öffentlicher Belange nicht zuzulassen. „Solche Entscheidungen bedürfen aber guter Gründe, die der Verfassung entsprechen müssen“, so Vogel.
Volker Stephan
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Freitag, 11.10.2024, 13:12 Uhr
Freitag, 11.10.2024, 13:12 Uhr
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