
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN ZEITUNGSAUSGABE:
Erlösabschöpfung: Für jede Quelle eine Kelle
Wie funktioniert denn nun die deutsche Erlösabschöpfung, das „bürokratische Monster“, das rückwirkend zum 1. Dezember 2022 in Kraft tritt? Was waren Änderungen in letzter Minute?
Die deutsche Art der EU-Stromerlösabschöpfung hat nach Meinung der führenden Energieverbände ein „bürokratisches Monster“
hervorgebracht (siehe Seite 1). Aber wie funktioniert sie eigentlich? Was die EU in ihrer seit vergangenem September bekannten Notfallverordnung als Minimum
vorgab, nämlich vom 1. Dezember 2022 an erzielte Großhandelsumsätze oberhalb von 180 Euro/MWh abzuschöpfen, ist zwar als Substanzsteuer ebenfalls ein Novum im deutschen Wirtschaftsrecht. Die EU-Vorgabe mutet
aber geradezu schlicht an gegenüber dem Ausmaß, mit dem Berlin hier von Öffnungsklauseln Gebrauch machte.
Zwischen Flensburg und Füssen musste es so kompliziert werden, weil die veranschlagten Kosten der Strompreisbremse von 56 Milliarden Euro in Versuchung führten, zur teilweisen Refinanzierung die Schöpfkelle möglichst tief im Kraftwerkskessel anzusetzen. Um sowohl Brühe als auch feste Zutaten abzuschöpfen, sind also einmal tief ausladende Kellen besser, mal Schaumlöffel.
Gleichsam am Boden abgesetzt haben sich Kraftwerke, die für zusätzlich produzierte Kilowattstunden praktisch keine Grenzkosten haben, also Wind, PV und Wasser. Dann geht es im Eintopf der Erzeugung hoch: über Kernkraft, Braunkohle und Steinkohle bis zu den teuersten Sahnehäubchen: Erdgas, Biogas und Öl. Also mussten energiequellenspezifische Obergrenzen („Referenzkosten“) her, der sogenannte Treppenansatz.
Umgekehrt wollte das Wirtschaftsministerium tunlichst vermeiden, dass ihm allzu viele Anlagenbetreiber über Gerichte alle Schöpfkellen auf einmal wegnehmen können: Um weniger Kraftwerke in den Ruin zu treiben, wurden „Sicherheitszuschläge“ zugestanden.
Die Zeit der Lobbyisten reichte von den am 1. November verkündeten Eckpunkten, die vor allem auch den Vertrauensschutz frühzeitig beenden sollten, bis zu den 400 Änderungsbeschlüssen des Wirtschaftsausschusses vom 14. Dezember. Plenum und Bundesrat waren ein und zwei Tage danach nur noch Formsache.
Zwischen den gesetzgeberischen Fixpunkten lagen noch eine geleakte Änderung der Eckpunkte, Referentenentwurf und Kabinettsentwurf. Da konnte man schon mal den Überblick verlieren, welche Schöpflöffel noch wie tief graben durften.
Das PV-Projekt eines Stadtwerkeverbunds
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), brachte im Ausschuss ein Beispiel, wie die Anknüpfung an einen fiktiven Großhandelserlös „die Bereitschaft vieler Stadtwerke ruiniert, in Erneuerbare zu investieren“: Ein Stadtwerkeverbund hatte vor den Eckpunkten die 10 Millionen kWh prognostizierte Jahreserzeugung eines 10-MW-Photovoltaikparks, der 2023 errichtet werden soll, durch ein Power Purchase Agreement (PPA, „anlagenbezogener Vermarktungsvertrag“) verkauft, und zwar für 8 Cent/kWh. Geplant sind also 800.000 Euro Erlös. Nach Abzug von Zinsen, Abschreibungen und laufenden Kosten bliebe ein Vorsteuergewinn von 88.000 Euro.
Doch das Projekt hat einen anzulegenden Wert (AW) von 5,5 Cent/kWh, der als „Referenzkosten“ angenommen wird. Um „Härtefälle“ zu vermeiden, kommt ein „Sicherheitszuschlag“ drauf. Bei einem alten PPA-Abschluss ist das nur 1 statt sonst übliche 3 Cent/kWh, weil der PPA-Geber bereits Risiken bewertet hat. Addiert werden nur bei PV wie bei Wind noch 6 Prozent des jeweiligen Monatsmarktwertes. Was darüber hinaus erlöst wird, wird zu 90 Prozent abgeschöpft. Da wären 135.000 Euro abzuführen gewesen − der PV-Park war drauf und dran, zur Investitionsruine zu werden.

Liebing fasste zusammen: „Es mag ja sein, dass der PPA-Partner Gewinne macht, aber der wird nicht abgeschöpft. Da, wo die Gewinne anfallen, werden sie nicht abgeschöpft. Das zeigt die Absurdität dieses Systems.“ Der Stadtwerkelobbyist fand im Ausschuss offene Ohren: Der setzte nämlich bei Alt-PPA die „Referenzkosten“ auf mindestens 8 Cent/kWh herauf. Hätte die Anlage gar keinen AW, gälten hier 10 Cent/kWh.
„Erneuerbare zahlen die Hälfte“
Laut einer Prognose von Enervis Energy Advisors mit Stand des Kabinettsentwurfs tragen die Erneuerbaren die Hälfte des Abschöpfungsvolumens. Dieses beläuft sich bis zum ersten Auslaufdatum Juni 2023 auf 23 Milliarden Euro. Die Braunkohle dürfte 40 Prozent zum Abschöpfaufkommen beitragen. Dabei wurden nur Spotmarkterlöse berücksichtigt. Die Geltendmachung niedrigerer Umsätze in Termingeschäften oder alten PPA werde den Abschöpfbetrag noch verringern, so Analyst Tim Höfer.
Die Erlösabschöpfung trifft (fast) alle Erneuerbaren, Braunkohle-, Kernkraft- und Ölkraftwerke, auch Biogas oberhalb 1 MW installierter Leistung, nicht aber Steinkohle und Erdgas, weil sie für die Day-ahead-Auktion ohnehin höhere Grenzkosten haben, also geringere „Zufallsgewinne“.
Zwischen Flensburg und Füssen musste es so kompliziert werden, weil die veranschlagten Kosten der Strompreisbremse von 56 Milliarden Euro in Versuchung führten, zur teilweisen Refinanzierung die Schöpfkelle möglichst tief im Kraftwerkskessel anzusetzen. Um sowohl Brühe als auch feste Zutaten abzuschöpfen, sind also einmal tief ausladende Kellen besser, mal Schaumlöffel.
Gleichsam am Boden abgesetzt haben sich Kraftwerke, die für zusätzlich produzierte Kilowattstunden praktisch keine Grenzkosten haben, also Wind, PV und Wasser. Dann geht es im Eintopf der Erzeugung hoch: über Kernkraft, Braunkohle und Steinkohle bis zu den teuersten Sahnehäubchen: Erdgas, Biogas und Öl. Also mussten energiequellenspezifische Obergrenzen („Referenzkosten“) her, der sogenannte Treppenansatz.
Umgekehrt wollte das Wirtschaftsministerium tunlichst vermeiden, dass ihm allzu viele Anlagenbetreiber über Gerichte alle Schöpfkellen auf einmal wegnehmen können: Um weniger Kraftwerke in den Ruin zu treiben, wurden „Sicherheitszuschläge“ zugestanden.
Die Zeit der Lobbyisten reichte von den am 1. November verkündeten Eckpunkten, die vor allem auch den Vertrauensschutz frühzeitig beenden sollten, bis zu den 400 Änderungsbeschlüssen des Wirtschaftsausschusses vom 14. Dezember. Plenum und Bundesrat waren ein und zwei Tage danach nur noch Formsache.
Zwischen den gesetzgeberischen Fixpunkten lagen noch eine geleakte Änderung der Eckpunkte, Referentenentwurf und Kabinettsentwurf. Da konnte man schon mal den Überblick verlieren, welche Schöpflöffel noch wie tief graben durften.
Das PV-Projekt eines Stadtwerkeverbunds
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), brachte im Ausschuss ein Beispiel, wie die Anknüpfung an einen fiktiven Großhandelserlös „die Bereitschaft vieler Stadtwerke ruiniert, in Erneuerbare zu investieren“: Ein Stadtwerkeverbund hatte vor den Eckpunkten die 10 Millionen kWh prognostizierte Jahreserzeugung eines 10-MW-Photovoltaikparks, der 2023 errichtet werden soll, durch ein Power Purchase Agreement (PPA, „anlagenbezogener Vermarktungsvertrag“) verkauft, und zwar für 8 Cent/kWh. Geplant sind also 800.000 Euro Erlös. Nach Abzug von Zinsen, Abschreibungen und laufenden Kosten bliebe ein Vorsteuergewinn von 88.000 Euro.
Doch das Projekt hat einen anzulegenden Wert (AW) von 5,5 Cent/kWh, der als „Referenzkosten“ angenommen wird. Um „Härtefälle“ zu vermeiden, kommt ein „Sicherheitszuschlag“ drauf. Bei einem alten PPA-Abschluss ist das nur 1 statt sonst übliche 3 Cent/kWh, weil der PPA-Geber bereits Risiken bewertet hat. Addiert werden nur bei PV wie bei Wind noch 6 Prozent des jeweiligen Monatsmarktwertes. Was darüber hinaus erlöst wird, wird zu 90 Prozent abgeschöpft. Da wären 135.000 Euro abzuführen gewesen − der PV-Park war drauf und dran, zur Investitionsruine zu werden.
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Kerstin Andreae (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) trägt am 6. Dezember im Wirtschaftsausschuss ihre Bedenken gegen die Art der Erlösabschöpfung vor. Ihre Kollegen Wolfram Axthelm (Bundesverband
Windenergie) und Ingbert Liebing (Verband kommunaler Unternehmen) warten, bis sie dran sind
Quelle: Bundestag
Quelle: Bundestag
Liebing fasste zusammen: „Es mag ja sein, dass der PPA-Partner Gewinne macht, aber der wird nicht abgeschöpft. Da, wo die Gewinne anfallen, werden sie nicht abgeschöpft. Das zeigt die Absurdität dieses Systems.“ Der Stadtwerkelobbyist fand im Ausschuss offene Ohren: Der setzte nämlich bei Alt-PPA die „Referenzkosten“ auf mindestens 8 Cent/kWh herauf. Hätte die Anlage gar keinen AW, gälten hier 10 Cent/kWh.
„Erneuerbare zahlen die Hälfte“
Laut einer Prognose von Enervis Energy Advisors mit Stand des Kabinettsentwurfs tragen die Erneuerbaren die Hälfte des Abschöpfungsvolumens. Dieses beläuft sich bis zum ersten Auslaufdatum Juni 2023 auf 23 Milliarden Euro. Die Braunkohle dürfte 40 Prozent zum Abschöpfaufkommen beitragen. Dabei wurden nur Spotmarkterlöse berücksichtigt. Die Geltendmachung niedrigerer Umsätze in Termingeschäften oder alten PPA werde den Abschöpfbetrag noch verringern, so Analyst Tim Höfer.
Die Erlösabschöpfung trifft (fast) alle Erneuerbaren, Braunkohle-, Kernkraft- und Ölkraftwerke, auch Biogas oberhalb 1 MW installierter Leistung, nicht aber Steinkohle und Erdgas, weil sie für die Day-ahead-Auktion ohnehin höhere Grenzkosten haben, also geringere „Zufallsgewinne“.
- Allerdings kam im Ausschuss ins Gesetz, dass das Kabinett die Steinkohle per Verordnung doch noch einbeziehen darf.
- Und die Biogaslobby hat für ihre Anlagen die geringere „Bemessungsleistung“ 1 MW als Bagatellgrenze und wegen der gestiegenen Substratpreise einen auf 9 Cent/kWh erhöhten Sicherheitsaufschlag durchgesetzt.
- Bis zum Regierungsentwurf sollten alle Müllverbrennungsanlagen und Torfkraftwerke abgeschöpft werden. Jetzt werden die erneuerbaren darunter verschont (siehe auch Tabelle).
Energiequelle des Kraftwerks | Referenzkosten | Oberhalb dieses Erlöses werden 90 % abgeschöpft (= Referenzkosten + Sicherheitszuschlag + ggf. technologiespezifische Zuschläge) |
---|---|---|
Braunkohle außerhalb des Rheinischen Reviers | 3 Ct/kWh | 6 Ct/kWh + spezifische CO2-Zertifikatskosten |
Braunkohle im Rheinischen Revier | 5 Ct/kWh (reduziert von 5,2 Ct/kWh) | 6 Ct/kWh + spezifische CO2-Zertifikatskosten |
AKW Dezember 2022 |
4 Ct/kWh | 7 Ct/kWh + nachgewiesene Dekontaminationskosten |
AKW 2023 | 9 Ct/kWh (reduziert von 10 Ct/kWh) |
12 Ct/kWh + nachgewiesene Dekontaminationskosten |
Erneuerbaren-Anlagen mit anzulegendem Wert (AW) | AW | AW + 3 Ct/kWh |
Erneuerbaren-Anlagen ohne AW | 10 Ct/kWh | 13 Ct/kWh |
aber: Ü20-Anlagen (AW weggefallen) | 10 Ct/kWh | 10 Ct/kWh |
aber: Erneuerbaren-Anlagen mit PPA-Abschluss vor 1.11.22 | AW, mindestens (neu) 8 Ct/kWh | mindestens 9 Ct/kWh |
aber: Wind und PV ohne alten PPA-Abschluss | AW oder 10 Ct/kWh | AW + 3 Ct/kWh + 6 % des Monatsmarktwertes; Abzug von 0,4 Ct/kWh von Spot-Erlösen |
aber: Wind offshore | AW, mindestens 10 Ct/kWh | mindestens 10 + 3 Ct/kWh + 6 % des Monats- marktwertes; Abzug von 0,4 Ct/kWh von den Spot-Erlösen |
aber: Biogas | AW oder 10 Ct/kWh |
AW + 9 Ct/kWh oder 19 Ct/kWh (Sicherheits-zuschlag von 7,5 auf 9 Ct/kWh erhöht) |
aber: Innovationsausschreibungsanlagen | 10 Ct/kWh + Marktprämie + 1 Ct/kWh |
11 Ct/kWh + Marktprämie |
konventionelle MVA und Torfkraftwerke | 7 Ct/kWh | 10 Ct/kWh |
Mineralölprodukte | 25 Ct/kWh | 28 Ct/kWh |
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© 2025 Energie & Management GmbH
Freitag, 20.01.2023, 09:41 Uhr
Freitag, 20.01.2023, 09:41 Uhr
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