Quelle: E&M
E&M VOR 20 JAHREN:
Emissionshandel – der bewegte Markt
Vor 20 Jahren wurde intensiv über den Einfluss des Emissionshandels auf die Strompreise diskutiert – bei vergleichsweise geringen Mengen an Zertifikaten.
Der Markt für EU-Emissionshandelsrechte war 2005 noch in den Kinderschuhen. Eigentlich konnte er im Herbst vor 20 Jahren noch
nicht einmal richtig laufen. Die Industrie hatte ihn damals aber schon als maßgeblichen Kostentreiber gebrandmarkt.
E&M-Redakteur Fritz Wilhelm nahm damals den Zustand des Emissionshandelsmarktes unter die Lupe. Hier sein Beitrag vom Herbst 2005.
Der Zusammenhang scheint eindeutig: Seit Einführung des EU-Emissionshandels bewegen sich der Preis des Forwards auf Emissionsrechte für das laufende Jahr und der Preis des Strom-Jahresbandes für das Kalenderjahr 2006 in überzeugender Weise in die gleiche Richtung. Für die Stromkunden ist damit der Emissionshandel schon als Hauptschuldiger überführt, auch wenn einige Komplizen tatkräftige Unterstützung leisten. Dem norwegischen Mischkonzern Norsk Hydro zufolge hat der hohe Strompreis sogar die Wirtschaftlichkeit der Aluminium-Produktion hierzulande auf dem Gewissen.
Empirisch lässt sich zeigen, dass sich bei einem Anstieg des CO2-Preises um einen Euro, das Jahresband 2006 etwa um 50 Cent verteuert. Im Markt hat dieser Zusammenhang mittlerweile Gesetzescharakter. Und sowohl Energie- als auch Emissionshändler berufen sich häufig auf diese Beobachtung aus der Vergangenheit, wenn sie versuchen, aktuelle Preisbewegungen zu erklären. Dagegen sinkt der Strompreis natürlich nicht im gleichen Maße, wenn der CO2-Preis zurückgeht. Aber er sinkt, immerhin.
Die Wirkungsketten, die hinter den Beobachtungen stecken, sind logisch. Das Preisverhältnis der Brennstoffe, üblicherweise werden Kohle und Erdgas betrachtet, ändert sich. Einer wird im Verhältnis zum anderen günstiger und verschiebt so möglicherweise die Merit Order des Kraftwerksparks. Ein verstärkter Einsatz zum Beispiel von Kohle mit ihren vergleichsweise hohen spezifischen CO2-Emissionen erfordert in der Regel den Zukauf von Emissionsrechten. Die Nachfrage nach Zertifikaten steigt und damit auch deren Preis. So könnte es im Lehrbuch stehen.
Sehr gut passt auch folgende Erklärung ins Bild: Hitze und Trockenheit haben in Spanien, in Portugal und im Süden Frankreichs die Stromerzeugung aus Wasserkraft fast auf den Nullpunkt sinken lassen. Fossil befeuerte Kraftwerke müssen die Lücke schließen. Nachdem die spanischen Anlagenbetreiber ohnehin wegen eines relativ hohen Erfüllungsfaktors knapp bei Zertifikat sind, gehen Analysten von einem erheblichen Nachfrageschub von der iberischen Halbinsel nach CO2-Zertifikaten aus. Genug jedenfalls, um die Phantasie der Händler anzuregen. So lassen sich Aussagen erklären, wie etwa: „Wer unbedingt kaufen muss, wird statt bei 22 Euro auch bei 23 oder 24 Euro kaufen“, oder: „Wer long ist, sitzt einfach am längeren Hebel“.
Nachfrageschub aus Spanien
Obwohl alle Anlagenbetreiber grundsätzlich short sind, kann es einige geben, die doch zumindest „gefühlt“ long sind. Denn wer zum Beispiel witterungsbedingt seine fossil befeuerten Kraftwerke zurückfährt, findet sich in der sehr behaglichen Lage wieder, mehr Zertifikate als ursprünglich geplant zur Verfügung zu haben. „Dass dann ein EVU mit einem hohen Anteil an Kohleverstromung plötzlich mehr Spielraum als ein kernenergielastiges Unternehmen hat, liegt auf der Hand“, meint Tobias Federico, Geschäftsführer des Berliner Analyseunternehmens Energy Brainpool. Der Markt werde zurzeit allerdings nicht nur fundamental getrieben. „Vieles, was passiert, ist psychologisch bedingt“, so Federico. Mit „Herdentrieb“ könne man es umschreiben. Manche Händler müssten wohl auch erst noch ein Gefühl für den Markt bekommen. Dass dies am Anfang noch sehr wenig ausgeprägt war, zeigen Äußerungen von Marktteilnehmern, die den CO2-Preis in der ersten Handelsperiode zwischen 5 und 15 Euro sahen.
Anscheinend kann auch die Psychologie der ökonomischen Theorie immer wieder ein Schnippchen schlagen. „Es ist eine Blase geplatzt, wie im Jahr 2000 am Aktienmarkt“, stellte ein Händler nach dem Einbruch der CO2-Preise am 14. Juli von über 29 auf etwa 22 Euro/t fest und verglich das Verhalten der Händler mit dem von Privatanlegern. „Wer den Wert seines Aktienportfolios immer weiter steigen sieht, fängt irgendwann einmal an, sich zu fragen, wie lange dies noch so weitergeht und ob das Niveau noch gerechtfertigt ist.“ Und genau dies sei geschehen. „Einige haben angefangen zu denken und dann entschieden, es sei besser Gewinne mitzunehmen, als möglicherweise irgendwann einmal im freien Fall long zu sein.“ Anschließend müsse sich der Markt erst wieder neu orientieren – ein noch unreifer Markt.
Ein Zeichen von Markt-Unreife ist beispielsweise das Handelsvolumen. Der Spot-Markt ist noch eng und flach, vor allem weil etwa erst die Hälfte der nationalen Emissionshandelsregister voll funktionsfähig ist. Der gewöhnlich liquidere Terminmarkt erreicht mittlerweile im OTC-Handel Tagesvolumina von 1,5 Millionen Emissionsrechten. Bei einer Gesamtzuteilung in Europa von etwa 2,2 Milliarden Zertifikaten pro Jahr sind das aber lediglich etwa 0,07 Prozent. Zahlreiche Händler bestätigen übereinstimmend, dass sich der Markt bei diesem Gesamtvolumen mit dem Kauf oder Verkauf von einigen 10.000 Tonnen immer noch bewegen lässt.
Außerdem ist die Zahl der Marktteilnehmer noch relativ gering: Aktiv sind vor allem Investmentbanken und die Energiekonzerne, zu deren Kernkompetenz der Handel gehört und die ihrerseits enorme Mengen an Emissionsrechten auf sich vereinen: Die Ausgangsallokation von RWE und Vattenfall zusammen macht alleine etwa 10 Prozent der insgesamt in der EU zugeteilten Emissionsrechte aus. Unternehmen eines solchen Kalibers „machen“ den Markt. Sie sind derzeit der Markt.
Noch kaum Marktteilnehmer aus der Industrie
Nach Aussage von Marktteilnehmern treten industrielle Anlagenbetreiber im Handel noch kaum in Erscheinung. Über Vermeidungsmaßnahmen denken die meisten allerdings schon nach. Gleichwohl sind auch hier die Energieversorger wieder die Schrittmacher. „Wir überlegen kontinuierlich, wie wir die Wirkungsgrade unserer Anlagen verbessern können. Damit arbeiten wir praktisch ständig an CO2-Vermeidungsmaßnahmen“, sagt Martin Wolf, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen und Energierechtsrahmen der Steag Saar Energie AG.
Stefan Ulreich, Referent für Energiepolitik bei der Eon Energie AG, kann dem nur zustimmen und erläutert: „Die Überprüfung effizienzsteigernder Maßnahmen ist bei Eon Energie ein stetiger Prozess und damit praktisch Tagesgeschäft. Schon in der Vergangenheit haben sich Wirkungsgradsteigerungen gelohnt. Dies wird durch die CO2-Belastung, gerade beim aktuellen Zertifikatepreis, noch weiter verstärkt. Der überwiegende Teil dieser Maßnahmen ist bereits umgesetzt. Zusätzliche Steigerungen könnten unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen und werden deshalb intensiv geprüft.“
Den Verdacht, die großen Energiekonzerne, die ohnehin wegen vermeintlich oligopolistischer Umtriebe unter Generalverdacht stehen, würden den Emissionshandel als Stellschraube im Stromhandel nutzen, hält Ulreich für abwegig. Dass ein Energieversorger einen Zertifikatepreis von 40 oder noch mehr Euro voll auf seine Kunden überwälzen kann, sieht Ulreich auch nicht und weist darauf hin, der Strompreis bilde sich immer noch durch Angebot und Nachfrage. Nur so könne man erklären, dass Strom in Frankreich, mit seinem CO2-armen, nuklearlastigen Kraftwerkspark im letzten Jahr billiger als in Deutschland war und in diesem Jahr auf einmal teurer. Frankreich habe eben eine hohe Nachfrage aus Spanien und Italien befriedigt. Das habe in erster Linie den Strompreis nach oben getrieben und nicht der Emissionshandel.
E&M-Redakteur Fritz Wilhelm nahm damals den Zustand des Emissionshandelsmarktes unter die Lupe. Hier sein Beitrag vom Herbst 2005.
Der Zusammenhang scheint eindeutig: Seit Einführung des EU-Emissionshandels bewegen sich der Preis des Forwards auf Emissionsrechte für das laufende Jahr und der Preis des Strom-Jahresbandes für das Kalenderjahr 2006 in überzeugender Weise in die gleiche Richtung. Für die Stromkunden ist damit der Emissionshandel schon als Hauptschuldiger überführt, auch wenn einige Komplizen tatkräftige Unterstützung leisten. Dem norwegischen Mischkonzern Norsk Hydro zufolge hat der hohe Strompreis sogar die Wirtschaftlichkeit der Aluminium-Produktion hierzulande auf dem Gewissen.
Empirisch lässt sich zeigen, dass sich bei einem Anstieg des CO2-Preises um einen Euro, das Jahresband 2006 etwa um 50 Cent verteuert. Im Markt hat dieser Zusammenhang mittlerweile Gesetzescharakter. Und sowohl Energie- als auch Emissionshändler berufen sich häufig auf diese Beobachtung aus der Vergangenheit, wenn sie versuchen, aktuelle Preisbewegungen zu erklären. Dagegen sinkt der Strompreis natürlich nicht im gleichen Maße, wenn der CO2-Preis zurückgeht. Aber er sinkt, immerhin.
Die Wirkungsketten, die hinter den Beobachtungen stecken, sind logisch. Das Preisverhältnis der Brennstoffe, üblicherweise werden Kohle und Erdgas betrachtet, ändert sich. Einer wird im Verhältnis zum anderen günstiger und verschiebt so möglicherweise die Merit Order des Kraftwerksparks. Ein verstärkter Einsatz zum Beispiel von Kohle mit ihren vergleichsweise hohen spezifischen CO2-Emissionen erfordert in der Regel den Zukauf von Emissionsrechten. Die Nachfrage nach Zertifikaten steigt und damit auch deren Preis. So könnte es im Lehrbuch stehen.
Sehr gut passt auch folgende Erklärung ins Bild: Hitze und Trockenheit haben in Spanien, in Portugal und im Süden Frankreichs die Stromerzeugung aus Wasserkraft fast auf den Nullpunkt sinken lassen. Fossil befeuerte Kraftwerke müssen die Lücke schließen. Nachdem die spanischen Anlagenbetreiber ohnehin wegen eines relativ hohen Erfüllungsfaktors knapp bei Zertifikat sind, gehen Analysten von einem erheblichen Nachfrageschub von der iberischen Halbinsel nach CO2-Zertifikaten aus. Genug jedenfalls, um die Phantasie der Händler anzuregen. So lassen sich Aussagen erklären, wie etwa: „Wer unbedingt kaufen muss, wird statt bei 22 Euro auch bei 23 oder 24 Euro kaufen“, oder: „Wer long ist, sitzt einfach am längeren Hebel“.
Nachfrageschub aus Spanien
Obwohl alle Anlagenbetreiber grundsätzlich short sind, kann es einige geben, die doch zumindest „gefühlt“ long sind. Denn wer zum Beispiel witterungsbedingt seine fossil befeuerten Kraftwerke zurückfährt, findet sich in der sehr behaglichen Lage wieder, mehr Zertifikate als ursprünglich geplant zur Verfügung zu haben. „Dass dann ein EVU mit einem hohen Anteil an Kohleverstromung plötzlich mehr Spielraum als ein kernenergielastiges Unternehmen hat, liegt auf der Hand“, meint Tobias Federico, Geschäftsführer des Berliner Analyseunternehmens Energy Brainpool. Der Markt werde zurzeit allerdings nicht nur fundamental getrieben. „Vieles, was passiert, ist psychologisch bedingt“, so Federico. Mit „Herdentrieb“ könne man es umschreiben. Manche Händler müssten wohl auch erst noch ein Gefühl für den Markt bekommen. Dass dies am Anfang noch sehr wenig ausgeprägt war, zeigen Äußerungen von Marktteilnehmern, die den CO2-Preis in der ersten Handelsperiode zwischen 5 und 15 Euro sahen.
Anscheinend kann auch die Psychologie der ökonomischen Theorie immer wieder ein Schnippchen schlagen. „Es ist eine Blase geplatzt, wie im Jahr 2000 am Aktienmarkt“, stellte ein Händler nach dem Einbruch der CO2-Preise am 14. Juli von über 29 auf etwa 22 Euro/t fest und verglich das Verhalten der Händler mit dem von Privatanlegern. „Wer den Wert seines Aktienportfolios immer weiter steigen sieht, fängt irgendwann einmal an, sich zu fragen, wie lange dies noch so weitergeht und ob das Niveau noch gerechtfertigt ist.“ Und genau dies sei geschehen. „Einige haben angefangen zu denken und dann entschieden, es sei besser Gewinne mitzunehmen, als möglicherweise irgendwann einmal im freien Fall long zu sein.“ Anschließend müsse sich der Markt erst wieder neu orientieren – ein noch unreifer Markt.
Ein Zeichen von Markt-Unreife ist beispielsweise das Handelsvolumen. Der Spot-Markt ist noch eng und flach, vor allem weil etwa erst die Hälfte der nationalen Emissionshandelsregister voll funktionsfähig ist. Der gewöhnlich liquidere Terminmarkt erreicht mittlerweile im OTC-Handel Tagesvolumina von 1,5 Millionen Emissionsrechten. Bei einer Gesamtzuteilung in Europa von etwa 2,2 Milliarden Zertifikaten pro Jahr sind das aber lediglich etwa 0,07 Prozent. Zahlreiche Händler bestätigen übereinstimmend, dass sich der Markt bei diesem Gesamtvolumen mit dem Kauf oder Verkauf von einigen 10.000 Tonnen immer noch bewegen lässt.
Außerdem ist die Zahl der Marktteilnehmer noch relativ gering: Aktiv sind vor allem Investmentbanken und die Energiekonzerne, zu deren Kernkompetenz der Handel gehört und die ihrerseits enorme Mengen an Emissionsrechten auf sich vereinen: Die Ausgangsallokation von RWE und Vattenfall zusammen macht alleine etwa 10 Prozent der insgesamt in der EU zugeteilten Emissionsrechte aus. Unternehmen eines solchen Kalibers „machen“ den Markt. Sie sind derzeit der Markt.
Noch kaum Marktteilnehmer aus der Industrie
Nach Aussage von Marktteilnehmern treten industrielle Anlagenbetreiber im Handel noch kaum in Erscheinung. Über Vermeidungsmaßnahmen denken die meisten allerdings schon nach. Gleichwohl sind auch hier die Energieversorger wieder die Schrittmacher. „Wir überlegen kontinuierlich, wie wir die Wirkungsgrade unserer Anlagen verbessern können. Damit arbeiten wir praktisch ständig an CO2-Vermeidungsmaßnahmen“, sagt Martin Wolf, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen und Energierechtsrahmen der Steag Saar Energie AG.
Stefan Ulreich, Referent für Energiepolitik bei der Eon Energie AG, kann dem nur zustimmen und erläutert: „Die Überprüfung effizienzsteigernder Maßnahmen ist bei Eon Energie ein stetiger Prozess und damit praktisch Tagesgeschäft. Schon in der Vergangenheit haben sich Wirkungsgradsteigerungen gelohnt. Dies wird durch die CO2-Belastung, gerade beim aktuellen Zertifikatepreis, noch weiter verstärkt. Der überwiegende Teil dieser Maßnahmen ist bereits umgesetzt. Zusätzliche Steigerungen könnten unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen und werden deshalb intensiv geprüft.“
Den Verdacht, die großen Energiekonzerne, die ohnehin wegen vermeintlich oligopolistischer Umtriebe unter Generalverdacht stehen, würden den Emissionshandel als Stellschraube im Stromhandel nutzen, hält Ulreich für abwegig. Dass ein Energieversorger einen Zertifikatepreis von 40 oder noch mehr Euro voll auf seine Kunden überwälzen kann, sieht Ulreich auch nicht und weist darauf hin, der Strompreis bilde sich immer noch durch Angebot und Nachfrage. Nur so könne man erklären, dass Strom in Frankreich, mit seinem CO2-armen, nuklearlastigen Kraftwerkspark im letzten Jahr billiger als in Deutschland war und in diesem Jahr auf einmal teurer. Frankreich habe eben eine hohe Nachfrage aus Spanien und Italien befriedigt. Das habe in erster Linie den Strompreis nach oben getrieben und nicht der Emissionshandel.
© 2025 Energie & Management GmbH
Sonntag, 02.11.2025, 16:29 Uhr
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