
Quelle: Shutterstock
RECHT:
Dortmunder Damenopfer?
Das Kündigungsschutzverfahren im Fall der Ex-Chefin der Dortmunder Stadtwerke, Heike Heim, ist seit Monaten in der Schwebe. DSW 21 beantragte wiederholt eine Terminverschiebung. Warum?
Das juristische Endspiel im Fall der ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Dortmunder Stadtwerke, DSW 21, zieht sich in die
Länge. Bald ein halbes Jahr ist es her, dass der Aufsichtsrat Heike Heim entlassen hat. Heim reichte dagegen Kündigungsschutzklage
ein. Eine Klageerwiderung der Stadtwerke liegt dem Landgericht Dortmund bis dato nicht vor.
Zweimal hat DSW 21 nach Angaben des Gerichts eine Fristverlängerung beantragt. Aktueller Stand: „In dem angefragten Zivilverfahren mit dem Aktenzeichen 19 O 18/24 ist zwischenzeitlich ein Güte- und Verhandlungstermin bestimmt für Montag, 10.03.2025“, teilte die Gerichtsprecherin auf Anfrage der Redaktion mit. Auf den Tag genau acht Monate werden nach der fristlosen Kündigung dann vergangen sein. Viel Zeit, zumal der Aufsichtsrat den Fall von verschiedener Seite bereits prüfen ließ.
Regelmäßige Risikoberichte
In die Kritik geraten war Heim wegen Vorgängen in ihrer Zeit als Chefin des Energieversorgers DEW 21 (wir berichteten). Dessen Vertriebstochter Stadtenergie manipulierte in den Jahren 2022 und 2023 Strom- und Gasabrechnungen, in diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen ehemaligen Prokuristen des Discounters. Hinzu kamen Vorwürfe gegen Heim selbst im Zusammenhang mit der Energiebeschaffung für die Energietochter DEW 21 während der Energiekrise.
Nach einem ersten Gutachten, das die Beratungsgesellschaft PWC erstellt hat, soll Heim in der Hochpreisphase ungünstige langfristige Verträge mit Lieferanten abgeschlossen haben. Lokalmedien berichteten von einem finanziellen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe für die Stadtwerke. Das zweite Gutachten stammt von dem Dortmunder Rechtsanwalt Prof. Lutz Aderhold. Mit diesem Gutachten erklärte die Stadt in einer Stellungnahme am 26. September Heims Entlassung.
Frau Heim habe „ohne Mitwissen und Mitwirkung der beiden anderen Geschäftsführer allein im Risikokomitee beschlossen, sämtliche Risikoleitplanken aus dem Risikohandbuch der DEW nicht weiter anzuwenden“, zitierte die Kommune aus Prof. Aderholds Bericht. Aufsichtsrat ebenso wie die Gesamtgeschäftsführung der DEW 21 seien nicht von Frau Heim darüber informiert worden, dass sie im Verlaufe des Jahres 2022 die Beschaffungsstrategie des Unternehmens grundlegend verlassen habe, hieß es weiter unter Berufung auf das Papier.
Unterlagen zeichnen ein anderes Bild
Unterlagen, die der Redaktion vorliegen, zeichnen ein anderes Bild. Danach hat die Gesamtgeschäftsführung im Jahr 2022 im Wochenabstand per E-Mail einen Risikobericht vom Controlling erhalten. Bereits in den E-Mail-Anschreiben weist das Controlling auf Limitverletzungen hin. „Im Stromhandelsbuch wurde das Stopp-Loss-Limit gerissen. Damit sind bis zur Unterschreitung keine positionsverlängernden Geschäfte mehr erlaubt“, heißt es in einer E-Mail vom 9. Februar 2022.
Am 2. März 2022 erfährt die Gesamtgeschäftsführung, dass die Limits aufhoben worden sind: „Im Stromhandelsbuch wurde das Stopp-Loss-Limit gerissen. Aufgrund des Umlaufbeschlusses des Risikokomitees vom 25.02.2022 ist der Handel aktuell nicht aufgefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, schreibt das Controlling. Der Hinweis taucht auch in folgenden Risikoberichten auf.
Am 14. Juli 2022 stößt sich der technische Geschäftsführer Peter Flosbach an diesem Hinweis: „Gelten Stopp-Loss-Limits nicht mehr und kann das Risikokomitee solche Entscheidungen treffen?“, fragt er in einer E-Mail Heike Heim. Heim antwortet am 15. Juli: „Hallo Peter, die Beschlusslage des Risikokomitees besteht seit Februar, insofern bin ich etwas verwundert über deine Anfrage zum jetzigen Zeitpunkt.“ Sie schreibt ihm, dass die Stopp-Loss-Limits im Gas und Strom im Februar 2022 ausgesetzt worden sind und verweist auf das Risikohandbuch der DEW 21. Die E-Mail geht auch den dritten Geschäftsführer, Matthias Klein-Lassek.
Am 5. August 2022 weist der Prokurist Werner Zurnieden die Geschäftsführung darauf hin, dass „Limitverletzung keine ad-hoc-Berichtspflicht an den Aufsichtsrat auslösen“. Und er schreibt: „Im Rahmen der bevorstehenden, regulären Sitzung im September sollten wir den AR über die Limitauslastungen informieren.“ Das sei zumindest einmal pro Jahr verpflichtend zu tun. Eine Vorgabe, die sich im Risikohandbuch findet.
Die E-Mails, die der Redaktion zugespielt worden sind, unterstreichen einen Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom November. Was die Stellungnahme der Stadt zudem fraglich erscheinen lässt, ist, dass die Geschäftsführung von DEW 21 mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden auch außerhalb der regulären Gremiensitzungen regelmäßig im Austausch stand. Zur Zeit der Preisverwerfungen an Beschaffungsmärkten gab es in der Stadt einen Krisenstab, den der Oberbürgermeister leitete.
OB lässt Vorwürfe im Raum stehen
Fast drei Monate stehen die Vorwürfe aus dem Aderhold-Gutachten gegen Heim nun im Raum. Haben die Stadt Dortmund und der Aufsichtsratsvorsitzende von DEW 21 die Erkenntnisse von Prof. Aderhold geprüft oder hinterfragt? Halten die Stadt und der Aufsichtsratsvorsitzende an der Stellungnahme und den Aussagen vor dem Rat am 26. September fest? Und wenn Heike Heim Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat nicht nachgekommen ist, warum hat das Gremium sie nicht daran erinnert?
Der Sprecher des Oberbürgermeisters bittet um Verständnis, „dass wir zum aktuellen Zeitpunkt mit Rücksicht auf schwebende Untersuchungsverfahren zu den von Ihnen angesprochenen Themen keine Stellungnahmen zu einzelnen Punkten abgeben.“ Und er weist darauf hin, dass „die Themen und strittigen Fragen bei Weitem nicht so eindimensional sind, wie sie bislang durch verschiedene Presseberichte dargestellt worden sind“.
Nicht zu erfahren war, ob Heike Heim den strategischen Zug des Aufsichtsratschefs, mit Auszügen aus dem Aderhold-Gutachten an die Öffentlichkeit zu gehen, so stehen lässt. Hat sie rechtliche Schritte ergriffen? Die ehemalige Vorstandsvorsitzende war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Zweimal hat DSW 21 nach Angaben des Gerichts eine Fristverlängerung beantragt. Aktueller Stand: „In dem angefragten Zivilverfahren mit dem Aktenzeichen 19 O 18/24 ist zwischenzeitlich ein Güte- und Verhandlungstermin bestimmt für Montag, 10.03.2025“, teilte die Gerichtsprecherin auf Anfrage der Redaktion mit. Auf den Tag genau acht Monate werden nach der fristlosen Kündigung dann vergangen sein. Viel Zeit, zumal der Aufsichtsrat den Fall von verschiedener Seite bereits prüfen ließ.
Regelmäßige Risikoberichte
In die Kritik geraten war Heim wegen Vorgängen in ihrer Zeit als Chefin des Energieversorgers DEW 21 (wir berichteten). Dessen Vertriebstochter Stadtenergie manipulierte in den Jahren 2022 und 2023 Strom- und Gasabrechnungen, in diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen ehemaligen Prokuristen des Discounters. Hinzu kamen Vorwürfe gegen Heim selbst im Zusammenhang mit der Energiebeschaffung für die Energietochter DEW 21 während der Energiekrise.
Nach einem ersten Gutachten, das die Beratungsgesellschaft PWC erstellt hat, soll Heim in der Hochpreisphase ungünstige langfristige Verträge mit Lieferanten abgeschlossen haben. Lokalmedien berichteten von einem finanziellen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe für die Stadtwerke. Das zweite Gutachten stammt von dem Dortmunder Rechtsanwalt Prof. Lutz Aderhold. Mit diesem Gutachten erklärte die Stadt in einer Stellungnahme am 26. September Heims Entlassung.
Frau Heim habe „ohne Mitwissen und Mitwirkung der beiden anderen Geschäftsführer allein im Risikokomitee beschlossen, sämtliche Risikoleitplanken aus dem Risikohandbuch der DEW nicht weiter anzuwenden“, zitierte die Kommune aus Prof. Aderholds Bericht. Aufsichtsrat ebenso wie die Gesamtgeschäftsführung der DEW 21 seien nicht von Frau Heim darüber informiert worden, dass sie im Verlaufe des Jahres 2022 die Beschaffungsstrategie des Unternehmens grundlegend verlassen habe, hieß es weiter unter Berufung auf das Papier.
Unterlagen zeichnen ein anderes Bild
Unterlagen, die der Redaktion vorliegen, zeichnen ein anderes Bild. Danach hat die Gesamtgeschäftsführung im Jahr 2022 im Wochenabstand per E-Mail einen Risikobericht vom Controlling erhalten. Bereits in den E-Mail-Anschreiben weist das Controlling auf Limitverletzungen hin. „Im Stromhandelsbuch wurde das Stopp-Loss-Limit gerissen. Damit sind bis zur Unterschreitung keine positionsverlängernden Geschäfte mehr erlaubt“, heißt es in einer E-Mail vom 9. Februar 2022.
Am 2. März 2022 erfährt die Gesamtgeschäftsführung, dass die Limits aufhoben worden sind: „Im Stromhandelsbuch wurde das Stopp-Loss-Limit gerissen. Aufgrund des Umlaufbeschlusses des Risikokomitees vom 25.02.2022 ist der Handel aktuell nicht aufgefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, schreibt das Controlling. Der Hinweis taucht auch in folgenden Risikoberichten auf.
Am 14. Juli 2022 stößt sich der technische Geschäftsführer Peter Flosbach an diesem Hinweis: „Gelten Stopp-Loss-Limits nicht mehr und kann das Risikokomitee solche Entscheidungen treffen?“, fragt er in einer E-Mail Heike Heim. Heim antwortet am 15. Juli: „Hallo Peter, die Beschlusslage des Risikokomitees besteht seit Februar, insofern bin ich etwas verwundert über deine Anfrage zum jetzigen Zeitpunkt.“ Sie schreibt ihm, dass die Stopp-Loss-Limits im Gas und Strom im Februar 2022 ausgesetzt worden sind und verweist auf das Risikohandbuch der DEW 21. Die E-Mail geht auch den dritten Geschäftsführer, Matthias Klein-Lassek.
Am 5. August 2022 weist der Prokurist Werner Zurnieden die Geschäftsführung darauf hin, dass „Limitverletzung keine ad-hoc-Berichtspflicht an den Aufsichtsrat auslösen“. Und er schreibt: „Im Rahmen der bevorstehenden, regulären Sitzung im September sollten wir den AR über die Limitauslastungen informieren.“ Das sei zumindest einmal pro Jahr verpflichtend zu tun. Eine Vorgabe, die sich im Risikohandbuch findet.
Die E-Mails, die der Redaktion zugespielt worden sind, unterstreichen einen Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom November. Was die Stellungnahme der Stadt zudem fraglich erscheinen lässt, ist, dass die Geschäftsführung von DEW 21 mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden auch außerhalb der regulären Gremiensitzungen regelmäßig im Austausch stand. Zur Zeit der Preisverwerfungen an Beschaffungsmärkten gab es in der Stadt einen Krisenstab, den der Oberbürgermeister leitete.
OB lässt Vorwürfe im Raum stehen
Fast drei Monate stehen die Vorwürfe aus dem Aderhold-Gutachten gegen Heim nun im Raum. Haben die Stadt Dortmund und der Aufsichtsratsvorsitzende von DEW 21 die Erkenntnisse von Prof. Aderhold geprüft oder hinterfragt? Halten die Stadt und der Aufsichtsratsvorsitzende an der Stellungnahme und den Aussagen vor dem Rat am 26. September fest? Und wenn Heike Heim Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat nicht nachgekommen ist, warum hat das Gremium sie nicht daran erinnert?
Der Sprecher des Oberbürgermeisters bittet um Verständnis, „dass wir zum aktuellen Zeitpunkt mit Rücksicht auf schwebende Untersuchungsverfahren zu den von Ihnen angesprochenen Themen keine Stellungnahmen zu einzelnen Punkten abgeben.“ Und er weist darauf hin, dass „die Themen und strittigen Fragen bei Weitem nicht so eindimensional sind, wie sie bislang durch verschiedene Presseberichte dargestellt worden sind“.
Nicht zu erfahren war, ob Heike Heim den strategischen Zug des Aufsichtsratschefs, mit Auszügen aus dem Aderhold-Gutachten an die Öffentlichkeit zu gehen, so stehen lässt. Hat sie rechtliche Schritte ergriffen? Die ehemalige Vorstandsvorsitzende war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Manfred Fischer
© 2025 Energie & Management GmbH
Montag, 16.12.2024, 15:56 Uhr
Montag, 16.12.2024, 15:56 Uhr
Mehr zum Thema