Bei den Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern denken demnach inzwischen sogar mehr als die Hälfte darüber nach. „Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt. Der Politik ist es bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen. Das gilt insbesondere für die Industrie“, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. „Während in den Jahren vor 2023 viele Unternehmen auch Chancen in der Energiewende für den eigenen Betrieb sahen, überwiegen zuletzt aus ihrer Sicht deutlich die Risiken.“
Die zentrale Frage des Energiewende-Barometers ist laut DIHK: „Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?“ Auf einer Skala von minus 100 für „sehr negativ“ bis plus 100 für „sehr positiv“ ergebe sich aktuell über alle Branchen hinweg ein Wert von minus 20. Das sei der zweitschlechteste Wert in der Geschichte des Energiewende-Barometers - nur im Vorjahr habe er mit minus 27 noch niedriger gelegen. In den ersten zehn Jahren seit Erhebung des Energiewende-Barometers im Jahr 2012 habe sich der Stimmungswert hingegen immer in der Bandbreite zwischen plus 1 und minus 13 bewegt.
Sorgen in traditionellen Industrieregionen
Aktuell bewerte die energieintensive Industrie die Energiewende mit einem Durchschnittswert von minus 34 am kritischsten. Vor allem in den traditionell starken Industrieregionen im Westen und Süden überwiegen laut der Erhebung die Sorgen über zuverlässige Energieversorgung und Standortkosten. Aber auch sämtliche andere Branchenwerte befinden sich demnach im Minus. Die im Vorjahresvergleich leicht besseren Barometerwerte beruhten vor allem auf den Rückmeldungen der Dienstleister. „In den bisherigen energiepolitischen Maßnahmen der Bundesregierung sehen die Unternehmen keine Grundlage für eine Entwarnung“, so Dercks.
„Die Betriebe erkennen weiterhin deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der Bedeutung
der Schlüsselbranche Industrie für den gesamten Wirtschaftsstandort sind das deutliche Alarmzeichen.“ Leider habe die Bundesregierung
auch in ihrer neuen Wachstumsinitiative nachhaltige Lösungen des Energieangebots und der Energiepreisfrage völlig ausgespart.
„Für viele Betriebe aus der Industrie ist das aber derzeit die entscheidende Standortfrage“, so Dercks. „Wer das nicht auf
dem Schirm hat, kann irgendwann der Deindustrialisierung unseres Landes nur noch zusehen.“
Geringere Investitionen in „betriebliche Kernprozesse“
Die Zahl der Industriebetriebe, die Produktionseinschränkungen oder eine Abwanderung erwägen, steige kontinuierlich - von
16 Prozent im Jahr 2022 über 31 Prozent 2023 auf jetzt 37 Prozent. Überdurchschnittlich stark sei die Tendenz bei Industriebetrieben mit hohen Stromkosten sowie bei solchen mit 500
oder mehr Beschäftigten. Die hohen Energiepreise beeinträchtigten auch die Investitionstätigkeiten der Betriebe und damit
deren Innovationsfähigkeit. Über ein Drittel gäben an, wegen der hohen Energiepreise aktuell weniger in betriebliche Kernprozesse
investieren zu können. Insgesamt sähen zwei Drittel der Industriebetriebe ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr.
„Die Wachstumsbremsen durch die Energiepolitik lassen sich nur durch ein Umdenken lösen. Unternehmen brauchen jetzt eine nachhaltige
Perspektive für eine verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen“, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer.
Für rund 80 Prozent der Betriebe sei dabei die weitere Senkung der Steuern und Abgaben beim Strompreis eine zentrale Forderung.
Freitag, 02.08.2024, 11:00 Uhr