AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Digitaler Zwilling der Wiener Netze unterstützt die Energiewende
Der größte Verteilnetzbetreiber Österreichs begann vor Jahrzehnten damit, ein digitales Abbild seiner Infrastrukturen zu schaffen. Das kommt ihm nun bei der Transformation zugute.
Das Ziel ist ambitioniert: Ab 2040 soll die Energieversorgung der Stadt Wien vollständig klimaneutral werden. Notwendig dafür
ist die massiv verstärkte dezentrale Stromerzeugung mithilfe erneuerbarer Energien ebenso wie der Ausbau der Ladeinfrastrukturen
für Elektrofahrzeuge und keineswegs zuletzt die „Wärmewende“, darunter insbesondere die Bereitstellung von Fernwärme ohne
CO2-Ausstoß. Geplant ist unter anderem, die Leistung der im Stadtgebiet installierten Photovoltaikanlagen von rund 50 MW im
Jahr 2020 auf 800 MW im Jahr 2030 zu versechzehnfachen.
Ferner gilt es, die etwa 600.000 Gasheizungen im Stadtgebiet durch klimaverträglichere Heizsysteme zu ersetzen. Vorgesehen ist überdies die weitgehende Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung, die derzeit zu bis zu 60 Prozent auf mit Erdgas betriebenen Kraft-Wärme-Kopplungen basiert. Unter anderem arbeitet der stadteigene Energieversorger Wien Energie gemeinsam mit dem Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV daran, das Geothermiepotenzial im Wiener Becken für die Fernwärmeversorgung nutzbar zu machen.
Eine entscheidende Rolle für die Wiener Energiewende insgesamt spielen die Infrastrukturen der Wiener Netze. Sie bestehen aus rund 29.500 Kilometern an Strom-, Gas-, Fernwärme- und Telekommunikationsleitungen, 47 Umspannwerken, 11.000 Trafostationen sowie 570 Umformern für die Fernwärmeversorgung.
Nachgebildet sind all diese Anlagen in einem „digitalen Zwilling“, berichtet Martin Strobl, der bei den Wiener Netzen unter anderem für die Netzdokumentation das Geographische Informationssystem (GIS) zuständig ist: „Der digitale Zwilling ist gewissermaßen die IT-technische Datendrehscheibe unseres Hauses, die das technische und das kaufmännische Softwaresystem verbindet und die − zu etwa 90 Prozent unterirdisch verbauten − Lebensadern der Stadt Wien abbildet. Wir verfügen damit über einen Schatz an Daten, der es uns erleichtert, die Versorgungssicherheit auf dem gewohnt hohen Niveau von 99,99 Prozent aufrechtzuerhalten und die nötigen Infrastrukturen der Zukunft zu schaffen.“ Damit trage der digitale Zwilling erheblich zum Gelingen der Energiewende in Wien bei.
Bessere Planung und Wartung
Infolge des kontinuierlichen Datenaustauschs mit anderen Einrichtungen der Stadt − von der Wien Energie über die Wasserwerke bis zum Verkehrsdienstleister Wiener Linien − ist gleichsam zentimetergenau bekannt, wo sich neben den Leitungen der Wiener Netze beispielsweise Wasserleitungen, Kanäle und U-Bahn-Trassen befinden. „Damit wissen wir, wo wir in Zukunft unsere Leitungen unterbringen, und können auf diese Weise unsere Infrastrukturmaßnahmen effizienter planen“, erläutert Strobl.
Der digitale Zwilling ermöglicht Simulationen hinsichtlich der Auswirkungen künftiger Netzausbauten auf die bestehenden Anlagen. Ferner unterstützt er deren Wartung − und das im Grunde seit über 30 Jahren: Bereits 1992 verfügten die Wiener Netze über eine erste vollständige GIS-Darstellung ihres Gasnetzes. Ab diesem Zeitpunkt konnte unter anderem das Auswechseln von Leitungen laut Strobl drastisch reduziert werden: „Wir können seither gezielt die Leitungen austauschen, bei denen das notwendig ist. Außerdem ist es uns gelungen, die Zahl der Störungen deutlich zu verringern. Die Kundschaft hat eine höhere Versorgungssicherheit und wir investieren wesentlich effizienter.“
Mithilfe des digitalen Zwillings können die Einsatzkräfte der Wiener Netze eventuelle Gebrechen exakt lokalisieren. Damit ist es möglich, Störungen rascher zu beheben als in früheren Zeiten. Auch werden alle anfallenden Reparatur- und Wartungsarbeiten dokumentiert und stehen ebenso wie Informationen zum Baujahr der jeweiligen Leitung sowie zur Materialbeschaffenheit online zur Verfügung.
Automatische Einbautenauskunft
Mithilfe des digitalen Zwillings ihrer Anlagen bieten die Wiener Netze anderen Unternehmen gegen einen geringfügigen Kostenbeitrag seit einiger Zeit eine vollautomatische Einbautenauskunft an. Firmen, die im öffentlichen Raum Arbeiten wie Baumaßnahmen oder Baumpflanzungen durchzuführen haben, sind verpflichtet, dies den Wiener Netzen mindestens unmittelbar vor Beginn ihrer Tätigkeiten anzuzeigen und in die Netzdokumentation der Wiener Netze Einblick zu nehmen.
Dazu haben sie sich auf der entsprechenden Website des Unternehmens zu registrieren, was rund um die Uhr möglich ist. Die Wiener Netze verifizieren die eingegebenen Daten manuell. In der Folge besteht die Möglichkeit, auf einem digitalen Netzplan jenes Areal markieren, wo die jeweiligen Arbeiten erfolgen sollen.
Üblicherweise wenige Minuten später bekommen sie Auskunft darüber, welche Infrastrukturen sich in dem fraglichen Gebiet befinden und in welchen Tiefen sie verlaufen. Arbeiten die Wiener Netze zum Zeitpunkt der Anfrage selbst in der betreffenden Gegend, stellen sie den Kontakt zwischen dem Anfrager und dem Baustellenleiter her. Laut Strobl gewährleistet das zum beiderseitigen Vorteil „die koordinierte Durchführung der Arbeiten. Das ist ja natürlich auch ein Sicherheitsthema.“
Laufende Weiterentwicklung
Unterdessen wird der digitale Zwilling laufend weiterentwickelt. Schrittweise rüsten die Wiener Netze ihre rund 11.000 Trafos mit intelligenten Sensoren aus, die ihnen im Fünf-Minuten-Takt Daten über den Netzzustand liefern. Diese Daten werden in den digitalen Zwilling eingebunden. Bei der Adaption der Trafos geht das Unternehmen gleichsam „strategisch“ vor: Ertüchtigt werden zunächst Stationen an technisch besonders wichtigen Stellen im Netz. „Wenn wir dort Daten erfassen, hat das einen besonders großen Nutzen, um den aktuellen Netzzustand zu erkennen und, wenn nötig, steuernd einzugreifen“, konstatiert Strobl. Im Zuge der Energiewende neu errichtete Trafostationen werden im Übrigen standardmäßig mit den Sensoren ausgestattet.
„Augmented Reality“ in Planung
In Planung ist des Weiteren, den digitalen Zwilling der Infrastrukturen der Wiener Netze künftig auch als 3D-Modell verfügbar zu machen. „Wir haben uns vor einigen Jahren überlegt, eine Augmented Reality zu schaffen, die wir mit einer Datenbrille sichtbar machen wollten. Grundsätzlich wäre das bereits möglich. Die Software ist soweit“, berichtet Strobl. Optimierungsbedarf besteht aber noch hinsichtlich der Datenübertragung, die beträchtliche Mengen elektrischer Energie benötigt.
Und noch sind die Energiespeicher aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts nicht geeignet, über längere Zeit auf einem Datenhelm getragen zu werden. Deshalb greifen die Beschäftigten der Wiener Netze bis auf Weiteres per Handy − Pardon, natürlich Smartphone − auf den digitalen Zwilling zu: „Sie sehen aber auch so zentimetergenau, ob sie sich beispielsweise gerade über einer Gasleitung bewegen.“ Und eine künftige Augmented Reality der Infrastrukturen der Wiener Netze bleibt laut Strobl durchaus ein Thema: „Da wird sich sicher in den kommenden Jahren einiges tun.“
Ferner gilt es, die etwa 600.000 Gasheizungen im Stadtgebiet durch klimaverträglichere Heizsysteme zu ersetzen. Vorgesehen ist überdies die weitgehende Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung, die derzeit zu bis zu 60 Prozent auf mit Erdgas betriebenen Kraft-Wärme-Kopplungen basiert. Unter anderem arbeitet der stadteigene Energieversorger Wien Energie gemeinsam mit dem Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV daran, das Geothermiepotenzial im Wiener Becken für die Fernwärmeversorgung nutzbar zu machen.
Eine entscheidende Rolle für die Wiener Energiewende insgesamt spielen die Infrastrukturen der Wiener Netze. Sie bestehen aus rund 29.500 Kilometern an Strom-, Gas-, Fernwärme- und Telekommunikationsleitungen, 47 Umspannwerken, 11.000 Trafostationen sowie 570 Umformern für die Fernwärmeversorgung.
Nachgebildet sind all diese Anlagen in einem „digitalen Zwilling“, berichtet Martin Strobl, der bei den Wiener Netzen unter anderem für die Netzdokumentation das Geographische Informationssystem (GIS) zuständig ist: „Der digitale Zwilling ist gewissermaßen die IT-technische Datendrehscheibe unseres Hauses, die das technische und das kaufmännische Softwaresystem verbindet und die − zu etwa 90 Prozent unterirdisch verbauten − Lebensadern der Stadt Wien abbildet. Wir verfügen damit über einen Schatz an Daten, der es uns erleichtert, die Versorgungssicherheit auf dem gewohnt hohen Niveau von 99,99 Prozent aufrechtzuerhalten und die nötigen Infrastrukturen der Zukunft zu schaffen.“ Damit trage der digitale Zwilling erheblich zum Gelingen der Energiewende in Wien bei.
Bessere Planung und Wartung
Infolge des kontinuierlichen Datenaustauschs mit anderen Einrichtungen der Stadt − von der Wien Energie über die Wasserwerke bis zum Verkehrsdienstleister Wiener Linien − ist gleichsam zentimetergenau bekannt, wo sich neben den Leitungen der Wiener Netze beispielsweise Wasserleitungen, Kanäle und U-Bahn-Trassen befinden. „Damit wissen wir, wo wir in Zukunft unsere Leitungen unterbringen, und können auf diese Weise unsere Infrastrukturmaßnahmen effizienter planen“, erläutert Strobl.
Der digitale Zwilling ermöglicht Simulationen hinsichtlich der Auswirkungen künftiger Netzausbauten auf die bestehenden Anlagen. Ferner unterstützt er deren Wartung − und das im Grunde seit über 30 Jahren: Bereits 1992 verfügten die Wiener Netze über eine erste vollständige GIS-Darstellung ihres Gasnetzes. Ab diesem Zeitpunkt konnte unter anderem das Auswechseln von Leitungen laut Strobl drastisch reduziert werden: „Wir können seither gezielt die Leitungen austauschen, bei denen das notwendig ist. Außerdem ist es uns gelungen, die Zahl der Störungen deutlich zu verringern. Die Kundschaft hat eine höhere Versorgungssicherheit und wir investieren wesentlich effizienter.“
Mithilfe des digitalen Zwillings können die Einsatzkräfte der Wiener Netze eventuelle Gebrechen exakt lokalisieren. Damit ist es möglich, Störungen rascher zu beheben als in früheren Zeiten. Auch werden alle anfallenden Reparatur- und Wartungsarbeiten dokumentiert und stehen ebenso wie Informationen zum Baujahr der jeweiligen Leitung sowie zur Materialbeschaffenheit online zur Verfügung.
Automatische Einbautenauskunft
Mithilfe des digitalen Zwillings ihrer Anlagen bieten die Wiener Netze anderen Unternehmen gegen einen geringfügigen Kostenbeitrag seit einiger Zeit eine vollautomatische Einbautenauskunft an. Firmen, die im öffentlichen Raum Arbeiten wie Baumaßnahmen oder Baumpflanzungen durchzuführen haben, sind verpflichtet, dies den Wiener Netzen mindestens unmittelbar vor Beginn ihrer Tätigkeiten anzuzeigen und in die Netzdokumentation der Wiener Netze Einblick zu nehmen.
Dazu haben sie sich auf der entsprechenden Website des Unternehmens zu registrieren, was rund um die Uhr möglich ist. Die Wiener Netze verifizieren die eingegebenen Daten manuell. In der Folge besteht die Möglichkeit, auf einem digitalen Netzplan jenes Areal markieren, wo die jeweiligen Arbeiten erfolgen sollen.
Üblicherweise wenige Minuten später bekommen sie Auskunft darüber, welche Infrastrukturen sich in dem fraglichen Gebiet befinden und in welchen Tiefen sie verlaufen. Arbeiten die Wiener Netze zum Zeitpunkt der Anfrage selbst in der betreffenden Gegend, stellen sie den Kontakt zwischen dem Anfrager und dem Baustellenleiter her. Laut Strobl gewährleistet das zum beiderseitigen Vorteil „die koordinierte Durchführung der Arbeiten. Das ist ja natürlich auch ein Sicherheitsthema.“
Laufende Weiterentwicklung
Unterdessen wird der digitale Zwilling laufend weiterentwickelt. Schrittweise rüsten die Wiener Netze ihre rund 11.000 Trafos mit intelligenten Sensoren aus, die ihnen im Fünf-Minuten-Takt Daten über den Netzzustand liefern. Diese Daten werden in den digitalen Zwilling eingebunden. Bei der Adaption der Trafos geht das Unternehmen gleichsam „strategisch“ vor: Ertüchtigt werden zunächst Stationen an technisch besonders wichtigen Stellen im Netz. „Wenn wir dort Daten erfassen, hat das einen besonders großen Nutzen, um den aktuellen Netzzustand zu erkennen und, wenn nötig, steuernd einzugreifen“, konstatiert Strobl. Im Zuge der Energiewende neu errichtete Trafostationen werden im Übrigen standardmäßig mit den Sensoren ausgestattet.
„Augmented Reality“ in Planung
In Planung ist des Weiteren, den digitalen Zwilling der Infrastrukturen der Wiener Netze künftig auch als 3D-Modell verfügbar zu machen. „Wir haben uns vor einigen Jahren überlegt, eine Augmented Reality zu schaffen, die wir mit einer Datenbrille sichtbar machen wollten. Grundsätzlich wäre das bereits möglich. Die Software ist soweit“, berichtet Strobl. Optimierungsbedarf besteht aber noch hinsichtlich der Datenübertragung, die beträchtliche Mengen elektrischer Energie benötigt.
Und noch sind die Energiespeicher aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts nicht geeignet, über längere Zeit auf einem Datenhelm getragen zu werden. Deshalb greifen die Beschäftigten der Wiener Netze bis auf Weiteres per Handy − Pardon, natürlich Smartphone − auf den digitalen Zwilling zu: „Sie sehen aber auch so zentimetergenau, ob sie sich beispielsweise gerade über einer Gasleitung bewegen.“ Und eine künftige Augmented Reality der Infrastrukturen der Wiener Netze bleibt laut Strobl durchaus ein Thema: „Da wird sich sicher in den kommenden Jahren einiges tun.“
Zahlen rund um den digitalen Zwilling
Mit dem Aufbau des digitalen Zwillings ihrer Infrastrukturen begonnen hatten die Wiener Netze respektive deren Vorläuferunternehmen
schon 1986. Als erste ihrer Infrastrukturen war 1992 das Erdgasnetz vollständig digital erfasst. Nach Angaben des Unternehmens
sind seit 2022 dessen sämtliche Betriebsmittel online dokumentiert „und durch verschiedene Anbindungen mit anderen internen
IT-Systemen verknüpft“.
2023 verzeichneten die Wiener Netze etwa 22 Millionen Zugriffe auf ihre digitalen Netzkarten. Rund 3.000 Personen der Stadtwerkegruppe verfügen derzeit über einen Zugang zur digitalisierten Version der Infrastrukturen. Insgesamt versorgt das Unternehmen mit etwa 2.400 Beschäftigten mehr als zwei Millionen Kunden in Wien sowie in Teilen der angrenzenden Bundesländer Niederösterreich und Burgenland. Es ist damit der weitaus größte Verteilnetzbetreiber Österreichs. Ihre jährlichen Investitionen in den Ausbau und die Wartung ihrer Anlagen beziffern die Wiener Netze mit rund 380 Millionen Euro.
2023 verzeichneten die Wiener Netze etwa 22 Millionen Zugriffe auf ihre digitalen Netzkarten. Rund 3.000 Personen der Stadtwerkegruppe verfügen derzeit über einen Zugang zur digitalisierten Version der Infrastrukturen. Insgesamt versorgt das Unternehmen mit etwa 2.400 Beschäftigten mehr als zwei Millionen Kunden in Wien sowie in Teilen der angrenzenden Bundesländer Niederösterreich und Burgenland. Es ist damit der weitaus größte Verteilnetzbetreiber Österreichs. Ihre jährlichen Investitionen in den Ausbau und die Wartung ihrer Anlagen beziffern die Wiener Netze mit rund 380 Millionen Euro.
Klaus Fischer
© 2024 Energie & Management GmbH
Dienstag, 22.10.2024, 08:52 Uhr
Dienstag, 22.10.2024, 08:52 Uhr
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