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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Die Last mit dem Steuern
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN ZEITUNG:
Die Last mit dem Steuern
Die Festlegung der Bundesnetzagentur zur Leistungsbegrenzung steuerbarer Verbraucher gilt seit Anfang 2024. Auch in der Praxis ist das Steuern bereits möglich.
 
Rainer Peters nennt sie „das Auge von Mordor“. Es ist eine Grafik, die die stündlichen Day-Ahead-Preise über das Jahr 2023 hinweg zeigt. Dünne rote und blaue Balken in heller und dunkler Schattierung wechseln sich ab und markieren die Ergebnisse der Spotmarkt-Auktionen. Für den 2. Juli 2023 weist das Schaubild einen negativen Preis von -500 Euro/MWh in den Mittagsstunden aus. In den Abendstunden des 11. September standen 524,27 Euro zu Buche − als positiver Betrag.

„Der negative Börsenpreis ist für Direktvermarkter das Signal, in diesen Zeiten nichts einzuspeisen. Für Verbraucher ist der stündliche dynamische Tarif ein Anreiz, den flexiblen Verbrauch und insbesondere den Bezug aus dem Netz möglichst in diese günstigen Zeiten zu lenken“, sagt Peters, der beim IT-Dienstleister Kisters Experte für Flexibilitätsmanagementthemen wie § 14a EnWG und Redispatch 2.0 ist.

Was für den Gesamtmarkt sinnvoll sei, könne aber in einzelnen Netzbereichen zu Engpässen führen. Daher hält er es jetzt schon für dringend erforderlich, betroffene Netzbereiche zu überwachen, ihren Zustand zu prognostizieren und die angeschlossenen steuerbaren Verbraucher auch netzdienlich steuerbar zu machen.

„Es ist für Netzbetreiber wichtig, vor der Welle der dynamischen Tarife zu bleiben“, so Peters. Mit dem Zubau von PV-Anlagen und wachsender Zahl marktdienlich steuerbarer Anlagen des Verkehrs- und des Wärmesektors bestehe zweifellos Handlungsbedarf.
 
Klarheit durch regulatorischen Rahmen
 
Peters weist darauf hin, dass von den Verteilnetzbetreibern bislang nur wenige Niederspannungsnetzbereiche mit einem separaten Steuerungscockpit überwacht werden und die Messstellenbetreiber nur wenige der Mess- und Steuerungseinrichtungen, die künftig obligatorisch sind, verbaut haben. „IT-Systeme, Hardware und die regulatorischen Rahmenbedingungen sind aber vorhanden“, sagt er und lobt die gesetzlichen und regulatorischen Klarstellungen und Konsultationen im Kontext des 2023 verabschiedeten Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende und die Umsetzung des § 14a EnWG durch die Festlegung der Bundesnetzagentur zur Integration steuerbarer Verbraucher ins Stromnetz.

Diese haben geholfen, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten zu eliminieren und in den komplexen Prozessketten den Marktrollen eindeutige Zuständigkeiten zuzuweisen. Und auch die Inhalte der Marktkommunikation zwischen den Marktrollen sind geregelt. Es seien zwar noch Details für die Einrichtung der Kommunikationsstrecke zur Ad-hoc-Steuerung zwischen den Marktrollen zu klären. Hier fehlen zu Ende definierte Wege und Prozessvorgaben, um benötigte URL und zugehörige Zertifikate auszutauschen, die diese Kommunikationsstrecken absichern. „Aber es gibt keinen Hinderungsgrund, das Zusammenspiel der Akteure jetzt als IT-Lösung aufzusetzen und zu testen“, betont Peters.

Nach den Buchstaben der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben bleibt den Netzbetreibern, Messstellenbetreibern und Lieferanten auch gar nichts anderes übrig. Denn die Festlegung der Bundesnetzagentur gilt seit dem 1. Januar 2024.
Die in § 14a EnWG definierte netzorientierte Steuerung über die sogenannte FNN-Steuerbox, wenn Netzbetreiber eine konkrete Netzüberlast feststellen, wird laut Frank Borchardt, der beim Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) im VDE für die Themenfelder Digitalisierung und Metering verantwortlich ist, in der Praxis jedoch nicht vor 2025 kommen.

Die Ausarbeitung der technischen Detailregeln sowie die Markteinführung der Steuerboxen, die mit der entsprechenden Technischen Richtlinie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) konform sind, seien noch im Gang. Das sei auch in der Festlegung der Bundesnetzagentur so vorgesehen. „Diese Arbeiten werden voraussichtlich planmäßig bis Ende 2024 abgeschlossen sein“, so Borchardt.

Dennoch ist es heute schon möglich, operativ zu steuern. Die Bundesnetzagentur hat als Übergangslösung bis längstens 2028 eine „präventive Steuerung“ vorgesehen, wo Netzengpässe zu vermuten sind und die Technik mit Steuerbox noch nicht zur Verfügung steht. Hier werden steuerbare Verbrauchseinrichtungen mit einer Rundsteuerung oder mit Zeitschaltuhren zu festgelegten Zeiten geregelt, um eine mögliche Überlastung des Netzes zu vermeiden. „Auch dieses Verfahren entspricht der Festlegung zu § 14a EnWG“, sagt Borchardt.

Für den operativen Einsatz werden künftig neben den intelligenten Messsystemen aber ausschließlich Steuerboxen zum Einsatz kommen, die mit der aktuellen Version 1.4 des FNN-Lastenhefts konform gehen. „Dies ist wegen der im Betrieb erforderlichen Konformität zur Technischen Richtlinie TR-03109-5 zwingend notwendig“, betont er. Zur Einführung der netzorientierten Steuerung werde diese Version gerade fertiggestellt. In Pilotprojekten werden noch Steuerboxen verwendet, die mit einer der Vorversionen konform gehen.

Aus der Branche ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass viele Netzbetreiber lieber auf die FNN-konforme, zertifizierten Technik warten, als „irgendwelche Notlösungen“ zu implementieren, die Kosten verursachen und später wieder ersetzt werden müssen − auch wenn jetzt schon die Festlegung der Bundesnetzagentur gilt. Es wird schon nicht so schlimm kommen, scheint die Haltung einiger Unternehmen zu sein, bei denen der Leidensdruck offensichtlich noch relativ gering ist.

Die Behörde stellt jedoch auf ihrer Internetseite klar: „Der Netzbetreiber darf den Anschluss von neuen Wärmepumpen oder privaten Ladeeinrichtungen für E-Autos zukünftig nicht mehr mit Verweis auf mögliche lokale Überlastung seines Netzes ablehnen oder verzögern.“ Dafür dürfe der Netzbetreiber die Netzlast reduzieren, wenn eine akute Beschädigung oder Überlastung des Netzes drohe, und den Strombezug steuerbarer Verbrauchseinrichtungen „dimmen“.
 
Übergangsweise noch proprietäre Technik
 
Ab dem 1. Januar 2025 müssen alle Lieferanten dynamische Tarife anbieten. Dies scheint noch weit weg zu sein. Doch die Marktakteure müssen die Prozesse, die für das Steuern in der Niederspannung vorgeschrieben sind, erst noch „erlernen“, wie Peters es formuliert. Das brauche Zeit, auch wenn die Regulierung den Rahmen eng gesteckt habe. Zwar kann übergangsweise noch proprietäre Fernwirktechnik genutzt werden, wie dies bisher etwa bei Direktvermarktungsanlagen der Fall ist, die Anlagen müssen künftig aber genauso wie die Verbrauchsanlagen von Haushaltskunden über den CLS-Kanal (CLS steht für Controllable Local System) des Smart Meter Gateways gesteuert werden. Daher müssen grundzuständige Messstellenbetreiber sowohl für den Netzbetreiber als auch für Direktvermarkter und Lieferanten, die als Anbieter dynamischer Tarife agieren, Steuerkanäle bereitstellen.

Wettbewerbliche Messstellenbetreiber, die in mehreren Netzen aktiv sind, müssen ihrerseits die Smart Meter Gateways so konfigurieren, dass sie automatisiert Netzzustandsdaten an die Netzbetreiber schicken können. Die Netzbetreiber müssen diese Daten mit den eigenen Daten aus den dazugehörenden Ortsnetzstationen zusammenführen. Die Mess- und Steuerkonzepte der Netzbetreiber erfordern die genaue Zuordnung von Messlokationen und Marktlokationen aus Abrechnungssystemen zu den Netzanschluss-IDs in den Geoinformationssystemen. Die Liste der An- und Herausforderungen ließe sich noch lange fortsetzen.

Gerade diese Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellsystemen in ein steuerndes Zielsystem bei den Netzbetreibern bringt laut Peters einen hohen Abstimmungsbedarf mit sich. Zumal Unternehmen, die als grundzuständiger Messstellenbetreiber und Verteilnetzbetreiber in Personalunion bislang kurze interne Kommunikationswege etabliert hatten, nun beispielsweise mit wettbewerblichen Messstellenbetreibern über Unternehmensgrenzen hinweg die „offizielle Marktkommunikation“ anwenden und diskriminierungsfrei MSB-übergreifend steuern müssen.

„Die Unternehmen erleben hierbei, dass es sehr hilfreich ist, ein klares rolleninternes und -übergreifendes Verständnis für den Gesamtprozess zu entwickeln und das große Ganze im Blick zu behalten. Dabei unterstützen wir unsere Kunden von Anfang an“, betont Peters und fügt hinzu: „Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um entlang der Prozesskette abteilungsübergreifend zusammenzuarbeiten und schnell zu durchgängigen Tests und zum operativen Steuern zu kommen.“ E
 

Fritz Wilhelm
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