Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Der Sektorkopplung Wind machen
In der Sektorkopplung dekarbonisiert Ökostrom die Industrie-, Wärme- und Verkehrssektoren. Beispiele aus Sonnenberg, Wedel, Brunsbüttel, Kiel und Feldheim.
Technologien wie Wärmepumpen, Elektroautos, Power-to-Heat (PtH) und ermöglichen die Umwandlung überschüssigen Ökostroms in
grüne Wärme oder grünen Wasserstoff. Dies entlastet das Stromnetz. Bis 2030 könnten diese Technologien bis zu 30 Prozent des Wärme- und Verkehrsbedarfs mit grünem Strom decken.
Windkraftprojekte in Deutschland dienen zunehmend der Sektorkopplung: In Sachsen-Anhalt wird von 2027 an der Windpark „Sonnenberg V“ in großem Stil repowert: Knapp 30 moderne Anlagen ersetzen die bestehenden und liefern künftig bis zu 235 MW. Das ist Gegenstand eines im Juli unterzeichneten Kooperationsvertrags zwischen dem Altparkbetreiber Enertrag aus Brandenburg und der regionalen Ebert Erneuerbare Energien. Ebert steuert dabei die Planung, gestaltet die Bürgerbeteiligung und stimmt das Vorhaben mit den Bauern ab.
Ein Teil des Stroms wird, 15 Kilometer Luftlinie entfernt, in Osterweddingen bei Magdeburg zur Elektrolyse von grünem Wasserstoff eingesetzt und dieser direkt in industrielle Prozesse eingespeist. Mehr als 400 Flächeneigentümer sind in einem Pool organisiert.

Doch jenseits von Pilotprojekten zeigt sich: Technische Machbarkeit allein reicht nicht. Netzengpässe, regulatorische Hürden und fehlende Anreize bremsen den großflächigen Einsatz. Die Wärmewende braucht flexible Technologien − und ein förderliches politisches Umfeld.
Wind in Wedel
PtH-Anlagen treiben ebenfalls die Sektorkopplung voran: In der Stadt Wedel an der holsteinischen Unterelbe speist seit 2025 eine 100-MW-Anlage überschüssigen Windstrom ins Nahwärmenetz ein und versorgt 33.000 Haushalte. „Die Anlage wird vor allem bei Netzengpässen aktiviert, um das Stromnetz zu entlasten“, erklärt Kirsten Fust, Sprecherin der Geschäftsführung beim Betreiber Hamburger Energiewerke (HENW). „Das ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll, wenn es durch erneuerbare Energien ein Überangebot an Strom gibt und der Strompreis niedrig ist.“

Der Betrieb der PtH-Anlage erfolgt unregelmäßig, je nach Windstromangebot und Netzkapazität. Verzögerungen beim Bau eines Elbtunnels wirken sich allerdings direkt auf die Anbindung ans Fernwärmenetz aus. Wirtschaftlich rentiert sich das Modell aktuell nur bei negativen Strompreisen und mit Förderung. Trotz ergänzender Nutzung wird die Kohlefeuerung im Heizkraftwerk Wedel noch nicht vollständig ersetzt. Ein Monitoring zeigte jedoch die Relevanz der Anlage für die Nutzung von Windstrom in urbanen Fernwärmesystemen.
Elbabwärts in Brunsbüttel
Die Stadt Brunsbüttel an der Elbmündung entwickelt sich derweil zum Vorreiter klimafreundlicher Wärmeversorgung. Die dortige PtH-Anlage nutzt überschüssigen Windstrom und Biogas in einem hybriden Fernwärmenetz. Ergänzt wird das System durch eine Power-to-Gas-Anlage auf dem Gelände des Werkstoffherstellers Covestro. Das „Norddeutsche EnergieWende 4.0 Projekt“ wurde 2019 in Betrieb genommen und 2020 von den Kraftwerken Mainz-Wiesbaden übernommen. Die PtG-Anlage speist grünen Wasserstoff, der mithilfe von fünf Windenergieanlagen erzeugt wurde, ins Erdgasnetz ein. Ein Lastmanagement steuert Wärmeerzeuger und Speicher nach Windangebot, Netz- und Wärmelast. Es besteht aber Bedarf an einer höheren Transparenz von Betriebs- und CO2-Daten.
Kiel oben
Auch die Landeshauptstadt Kiel nutzt PtH, um überschüssigen Windstrom in Wärme umzuwandeln, CO2 einzusparen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Die PtH-Anlage der dortigen Stadtwerke ist ins Fernwärmesystem integriert und Teil eines modularen Systems mit Wärmepumpen und Speichern. Sie wurde erweitert und optimiert, um mehr Windstrom zu nutzen.
Die Wärmewende in Kiel verdeutlicht Herausforderungen urbaner Energieprojekte: Schwankender Windstrom erfordert komplexe Speicher- und Steuerungslösungen, während hohe Investitionskosten, steigende Netzentgelte (plus 10 Prozent seit Januar 2025) und unsichere Förderbedingungen Projekte hemmen. Trotzdem zeigen die Stadtwerke mit Preisentlastungen, dass der Wandel machbar ist.
Das energieautarke Dorf
Im energieautarken Dorf Feldheim, das zur brandenburgischen Stadt Treuenbrietzen gehört, zeigt sich eine erfolgreiche kommunale Energiewende. Eine PtH-Anlage ist Teil des dezentralen Versorgungssystems, das Windenergie, Biogas und Photovoltaik kombiniert und Haushalte über Nahwärme- und Stromnetze versorgt, die dörflichen Hauseignern und Unternehmen sowie der Stadt gehören.
Das System läuft stabil und effizient. Ein Holzhackschnitzelheizwerk sichert besonders an kalten Tagen die Wärmeversorgung. Das energieautarke Modell entstand durch enge Zusammenarbeit von Stadt, Bewohnern und dem Bremer Projektentwickler Energiequelle GmbH. Es wird vom Land und der EU gefördert.
Windkraftprojekte in Deutschland dienen zunehmend der Sektorkopplung: In Sachsen-Anhalt wird von 2027 an der Windpark „Sonnenberg V“ in großem Stil repowert: Knapp 30 moderne Anlagen ersetzen die bestehenden und liefern künftig bis zu 235 MW. Das ist Gegenstand eines im Juli unterzeichneten Kooperationsvertrags zwischen dem Altparkbetreiber Enertrag aus Brandenburg und der regionalen Ebert Erneuerbare Energien. Ebert steuert dabei die Planung, gestaltet die Bürgerbeteiligung und stimmt das Vorhaben mit den Bauern ab.
Ein Teil des Stroms wird, 15 Kilometer Luftlinie entfernt, in Osterweddingen bei Magdeburg zur Elektrolyse von grünem Wasserstoff eingesetzt und dieser direkt in industrielle Prozesse eingespeist. Mehr als 400 Flächeneigentümer sind in einem Pool organisiert.

Mehr Grünstrom, weniger Kohle: die PtH-Anlage am Heizkraftwerk Wedel (Schleswig-Holstein) von außen ...
Quelle: HENW
Quelle: HENW
Doch jenseits von Pilotprojekten zeigt sich: Technische Machbarkeit allein reicht nicht. Netzengpässe, regulatorische Hürden und fehlende Anreize bremsen den großflächigen Einsatz. Die Wärmewende braucht flexible Technologien − und ein förderliches politisches Umfeld.
Wind in Wedel
PtH-Anlagen treiben ebenfalls die Sektorkopplung voran: In der Stadt Wedel an der holsteinischen Unterelbe speist seit 2025 eine 100-MW-Anlage überschüssigen Windstrom ins Nahwärmenetz ein und versorgt 33.000 Haushalte. „Die Anlage wird vor allem bei Netzengpässen aktiviert, um das Stromnetz zu entlasten“, erklärt Kirsten Fust, Sprecherin der Geschäftsführung beim Betreiber Hamburger Energiewerke (HENW). „Das ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll, wenn es durch erneuerbare Energien ein Überangebot an Strom gibt und der Strompreis niedrig ist.“

... und von innen
Quelle: HENW
Quelle: HENW
Der Betrieb der PtH-Anlage erfolgt unregelmäßig, je nach Windstromangebot und Netzkapazität. Verzögerungen beim Bau eines Elbtunnels wirken sich allerdings direkt auf die Anbindung ans Fernwärmenetz aus. Wirtschaftlich rentiert sich das Modell aktuell nur bei negativen Strompreisen und mit Förderung. Trotz ergänzender Nutzung wird die Kohlefeuerung im Heizkraftwerk Wedel noch nicht vollständig ersetzt. Ein Monitoring zeigte jedoch die Relevanz der Anlage für die Nutzung von Windstrom in urbanen Fernwärmesystemen.
Elbabwärts in Brunsbüttel
Die Stadt Brunsbüttel an der Elbmündung entwickelt sich derweil zum Vorreiter klimafreundlicher Wärmeversorgung. Die dortige PtH-Anlage nutzt überschüssigen Windstrom und Biogas in einem hybriden Fernwärmenetz. Ergänzt wird das System durch eine Power-to-Gas-Anlage auf dem Gelände des Werkstoffherstellers Covestro. Das „Norddeutsche EnergieWende 4.0 Projekt“ wurde 2019 in Betrieb genommen und 2020 von den Kraftwerken Mainz-Wiesbaden übernommen. Die PtG-Anlage speist grünen Wasserstoff, der mithilfe von fünf Windenergieanlagen erzeugt wurde, ins Erdgasnetz ein. Ein Lastmanagement steuert Wärmeerzeuger und Speicher nach Windangebot, Netz- und Wärmelast. Es besteht aber Bedarf an einer höheren Transparenz von Betriebs- und CO2-Daten.
Kiel oben
Auch die Landeshauptstadt Kiel nutzt PtH, um überschüssigen Windstrom in Wärme umzuwandeln, CO2 einzusparen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Die PtH-Anlage der dortigen Stadtwerke ist ins Fernwärmesystem integriert und Teil eines modularen Systems mit Wärmepumpen und Speichern. Sie wurde erweitert und optimiert, um mehr Windstrom zu nutzen.
Die Wärmewende in Kiel verdeutlicht Herausforderungen urbaner Energieprojekte: Schwankender Windstrom erfordert komplexe Speicher- und Steuerungslösungen, während hohe Investitionskosten, steigende Netzentgelte (plus 10 Prozent seit Januar 2025) und unsichere Förderbedingungen Projekte hemmen. Trotzdem zeigen die Stadtwerke mit Preisentlastungen, dass der Wandel machbar ist.
Das energieautarke Dorf
Im energieautarken Dorf Feldheim, das zur brandenburgischen Stadt Treuenbrietzen gehört, zeigt sich eine erfolgreiche kommunale Energiewende. Eine PtH-Anlage ist Teil des dezentralen Versorgungssystems, das Windenergie, Biogas und Photovoltaik kombiniert und Haushalte über Nahwärme- und Stromnetze versorgt, die dörflichen Hauseignern und Unternehmen sowie der Stadt gehören.
Das System läuft stabil und effizient. Ein Holzhackschnitzelheizwerk sichert besonders an kalten Tagen die Wärmeversorgung. Das energieautarke Modell entstand durch enge Zusammenarbeit von Stadt, Bewohnern und dem Bremer Projektentwickler Energiequelle GmbH. Es wird vom Land und der EU gefördert.
Grüner Stahl: Rückschlag und Fortschritte
Die Direktversorgung der Industrie mit grünem Strom und Wasserstoff ist zentral für die Dekarbonisierung energieintensiver
Herstellungsprozesse. Industriebetriebe verbrauchen etwa 30 Prozent der Endenergie und erzeugen ein Viertel der deutschen CO2-Emissionen. Daher ist die sektorübergreifende Nutzung von
Windstrom und grünem Wasserstoff unverzichtbar.
Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht jedoch die Herausforderungen dieses Wandels: Im Juli kündigte die Stahlhütte Arcelor Mittal an, ein Projekt zur Umstellung auf wasserstoffbasierte Produktion in Deutschland vorläufig zu stoppen. Gründe sind die knappe Verfügbarkeit von Wasserstoff, unklare Förderbedingungen und wirtschaftliche Risiken. Damit steht eines der größten Industrieprojekte zur Sektorkopplung vor dem Aus.
Trotzdem gibt es positive Entwicklungen: Der Stahlhersteller Georgsmarienhütte betreibt in der gleichnamigen niedersächsischen Stadt Elektrostahlöfen mit erneuerbarem Strom. Die Dillinger Hütte testet im Saarland Pilotanlagen mit grünem Wasserstoff und im Energiepark Lausitz wird Windstrom direkt für Elektrolyseure und industrielle Anwendungen genutzt.
Technisch funktioniert die sektorübergreifende Versorgung grundsätzlich, doch die wirtschaftlichen Risiken bleiben hoch. Ohne verlässliche Förderungen, stabile Strompreise und schnellere Genehmigungsverfahren sind größere Investitionen kaum zu realisieren. Gleichzeitig verbessert sich langsam der gesetzliche Rahmen durch Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, von denen die nächste im Herbst ansteht, durch Anpassungen bei Netzentgelten und neue Förderprogramme. Die Weiterentwicklung regulatorischer Instrumente und die Anpassung der Netzinfrastruktur bleiben für die flexible Integration von Windstrom und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung entscheidend.
Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht jedoch die Herausforderungen dieses Wandels: Im Juli kündigte die Stahlhütte Arcelor Mittal an, ein Projekt zur Umstellung auf wasserstoffbasierte Produktion in Deutschland vorläufig zu stoppen. Gründe sind die knappe Verfügbarkeit von Wasserstoff, unklare Förderbedingungen und wirtschaftliche Risiken. Damit steht eines der größten Industrieprojekte zur Sektorkopplung vor dem Aus.
Trotzdem gibt es positive Entwicklungen: Der Stahlhersteller Georgsmarienhütte betreibt in der gleichnamigen niedersächsischen Stadt Elektrostahlöfen mit erneuerbarem Strom. Die Dillinger Hütte testet im Saarland Pilotanlagen mit grünem Wasserstoff und im Energiepark Lausitz wird Windstrom direkt für Elektrolyseure und industrielle Anwendungen genutzt.
Technisch funktioniert die sektorübergreifende Versorgung grundsätzlich, doch die wirtschaftlichen Risiken bleiben hoch. Ohne verlässliche Förderungen, stabile Strompreise und schnellere Genehmigungsverfahren sind größere Investitionen kaum zu realisieren. Gleichzeitig verbessert sich langsam der gesetzliche Rahmen durch Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, von denen die nächste im Herbst ansteht, durch Anpassungen bei Netzentgelten und neue Förderprogramme. Die Weiterentwicklung regulatorischer Instrumente und die Anpassung der Netzinfrastruktur bleiben für die flexible Integration von Windstrom und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung entscheidend.
Hertha Kerz
© 2025 Energie & Management GmbH
Dienstag, 16.09.2025, 08:41 Uhr
Dienstag, 16.09.2025, 08:41 Uhr
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