E&M VOR 20 JAHREN:
Der Konsolidierungsprozess im Brokermarkt ist im Gange
Die Pleite des Energiehändlers Enron hatte Anfang 2002 für große Verwerfungen im Markt gesorgt. Der Wunsch nach einem umfassenden Risikomanagement trieb damals viele Unternehmen um.
Im Jahr 2002 fusionierten die beiden Strombörsen LPX in Leipzig und EEX in Frankfurt zur EEX mit Sitz in Leipzig. Die Börsen
sahen sich aber nicht allein als Plattform für den Handel mit standardisierten Produkten, sondern auch als Dienstleister für
das Clearing von außerbörslichen Geschäften.
Zunächst hatte die EEX in Frankfurt ein Konzept für das OTC-Clearing auf den Tisch gelegt. Im Frühjahr 2002 präsentierte dann auch die Clearing Bank Hannover einen Ansatz, wie sie sich die Abwicklung außerbörslich geschlossener Kontrakte vorstellt. Das Unternehmen hatte bis dahin bereits das Clearing der LPX und der Warenterminbörse Hannover übernommen.
Das Brokerhaus Power ITS hatte die Clearing Bank Hannover bei der Entwicklung ihres Konzepts zur Abwicklung von OTC-Geschäften unterstützt. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm sprach damals mit Geschäftsführer Michael Redanz, der später unter anderem Geschäftsführer von MVV Trading und EWE Trading war, am Rande der E-world 2002, bei der das Clearing-Konzept erstmals vorgestellt wurde.
E&M: Herr Redanz, haben die Broker ihre caritative Ader entdeckt, dass sie nun den Teilnehmern am OTC-Handel zu besserer Risikoabsicherung verhelfen wollen?
Redanz: Wir sind Dienstleister und bieten das an, was der Markt fordert. Speziell im Zuge der Enron-Krise wurden die Rufe nach OTC-Clearing lauter und deshalb ist diese Dienstleistung jetzt zum Bestandteil unseres Geschäfts geworden. Damit differenzieren wir uns natürlich auch von unseren Wettbewerbern, was sicherlich einen positiven Einfluss auf unser Geschäftsvolumen haben wird.
E&M: Wie groß ist der Druck zur Differenzierung?
Redanz: Zurzeit sind sehr viele Broker am Markt. Entsprechend niedrig sind die Provisionen und entsprechend groß ist der Druck, über die reine Vermittlung von Geschäften hinaus einen Mehrwert zu schaffen.
E&M: Dann wird es bald zu einer Konsolidierung kommen?
Redanz: Im Grund ist dieser Konsolidierungsprozess bereits im Gange. Das zeigt sich meiner Meinung nach besonders daran, dass die erfolgreichen Broker ein hybrides Modell anbieten, das heißt, eine Handelsplattform in Kombination mit dem Telefongeschäft. Außerdem bieten wir Mehrwertdienste an. Damit meine ich nicht nur das OTC-Clearing, sondern beispielsweise auch die interaktive Verzahnung unserer Handelsplattform mit dem Risikomanagement beziehungsweise dem Back-Office des Kunden. Zu einer starken Stellung im Markt tragen auch Dienstleistungen bei, wie unser Multi-Brokerage-Konzept. Das bedeutet, auf unserer Handelsplattform können mehrere Telefon-Broker unabhängig von unserem eigenen Broker-Tisch agieren. Dabei könnten sie ein gemeinsames Interface zur Clearing Bank Hannover nutzen.
E&M: Enron Online wurde immer als sehr liquide Plattform gerühmt, über die man jederzeit einen Preis gestellt bekam. Enron war aber Händler, der eigene Positionen einging. Die Liquidität einer Broker-Plattform ist dagegen von beiden Seiten des Marktes abhängig.
Redanz: Für einen Broker gibt es Vor- und Nachteile. Enron war in der Lage, in Enron Online die gesamte Forward Curve abzubilden und damit eine bestimmte Meinung über den Markt wiederzugeben. Mit einer Broker-Plattform kann man aber die ganze Vielfalt des Marktes darstellen, da die Quotes von unterschiedlichen Marktteilnehmern kommen. Theoretisch kann es dann natürlich passieren, dass zu bestimmten Zeiten für bestimmte Produkte keine Preise zur Verfügung stehen. Dann ist diese Situation aber auch ein Spiegel des Marktes.
E&M: Wie hat der Markt den Ausfall von Enron Online abgefedert?
Redanz: Im Fall Enron geht es nicht so sehr um die Plattform an sich, sondern um die Funktion von Enron als Preisgeber im Markt. Das, was Enron ausgezeichnet hat, muss sich erst wieder entwickeln. Diese Lücke wird erst langsam ausgefüllt, beispielsweise von Electricité de France Trading und American Electric Power. Die Bereitschaft eine aktive Market-Maker-Funktion im bilateralen Markt zu übernehmen und damit auch die gesamte Forward Curve zu stellen, ist spürbar zurückgegangen.
E&M: Liegt es nur an der Risikoaversion im Hinblick auf einen möglichen Kreditausfall?
Redanz: Das ist sicher eines der schwerwiegendsten Argumente. Es ist allgemein zu beobachten, dass die Counterparty Limits deutlich restriktiver gehandhabt werden. Auch wenn sich der Markt seit Anfang Februar wieder etwas erholt, ist die Zurückhaltung noch deutlich spürbar.
E&M: Nimmt in einer solchen Situation das Telefongeschäft zu?
Redanz: Wir sehen keine Tendenz, dass die Marktteilnehmer häufiger direkt miteinander handeln, als einen Broker einzuschalten. Zudem nennt ein professioneller Broker seinen Kunden den jeweils anderen Kontraktpartner auch beim Telefongeschäft erst, wenn das Geschäft abgeschlossen ist. Von größerem Vertrauen kann deshalb nicht die Rede sein.
E&M: Dann war es ja allerhöchste Zeit, das OTC-Clearing einzuführen.
Redanz: Die maßgebliche Schwäche des bilateralen Handels war es bisher, dass eine zentrale, unabhängige Gegenpartei fehlte, die Adressausfallrisiken trägt. Die Folge war, dass die Teilnehmer im außerbörslichen Markt für jeden einzelnen Geschäftspartner ein Kreditrisiko bewerten mussten, ein enormer organisatorischer Aufwand gerade für den Risikomanager eines Unternehmens. Dass das OTC-Clearing ein wesentlicher Fortschritt ist, hat sich bei unseren skandinavischen Nachbarn gezeigt. In der Folge kam es zu mehr Marktteilnehmern und damit auch mehr Liquidität.
E&M: Nachdem Sie zusammen mit GFI von der Clearing Bank Hannover als Kooperationspartner für das OTC-Clearing auserkoren wurden, könnte man vermuten, dass es auch zwischen Ihnen und GFI eine Beziehung gibt.
Redanz: Wir sind Wettbewerber am Markt. Das ist unsere Beziehung. Es gibt kein Dreiecksverhältnis.
E&M: Der Broker-Markt ist noch sehr physisch geprägt. Wann wird das Derivategeschäft für Broker lukrativ?
Redanz: Das Bedürfnis nach Absicherung ist angesichts der zu beobachten Preisvolatilität sehr groß. Wir erwarten deshalb sehr kurzfristig einen kräftigen Anstieg der Nachfrage nach finanziellen Produkten. Dafür sind wir jedoch gerüstet, nicht zuletzt, weil wir schon frühzeitig die Zulassung als Finanzdienstleister beim BAKRed (Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen; d.Red.) beantragt und auch erhalten haben.
Zunächst hatte die EEX in Frankfurt ein Konzept für das OTC-Clearing auf den Tisch gelegt. Im Frühjahr 2002 präsentierte dann auch die Clearing Bank Hannover einen Ansatz, wie sie sich die Abwicklung außerbörslich geschlossener Kontrakte vorstellt. Das Unternehmen hatte bis dahin bereits das Clearing der LPX und der Warenterminbörse Hannover übernommen.
Das Brokerhaus Power ITS hatte die Clearing Bank Hannover bei der Entwicklung ihres Konzepts zur Abwicklung von OTC-Geschäften unterstützt. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm sprach damals mit Geschäftsführer Michael Redanz, der später unter anderem Geschäftsführer von MVV Trading und EWE Trading war, am Rande der E-world 2002, bei der das Clearing-Konzept erstmals vorgestellt wurde.
E&M: Herr Redanz, haben die Broker ihre caritative Ader entdeckt, dass sie nun den Teilnehmern am OTC-Handel zu besserer Risikoabsicherung verhelfen wollen?
Redanz: Wir sind Dienstleister und bieten das an, was der Markt fordert. Speziell im Zuge der Enron-Krise wurden die Rufe nach OTC-Clearing lauter und deshalb ist diese Dienstleistung jetzt zum Bestandteil unseres Geschäfts geworden. Damit differenzieren wir uns natürlich auch von unseren Wettbewerbern, was sicherlich einen positiven Einfluss auf unser Geschäftsvolumen haben wird.
E&M: Wie groß ist der Druck zur Differenzierung?
Redanz: Zurzeit sind sehr viele Broker am Markt. Entsprechend niedrig sind die Provisionen und entsprechend groß ist der Druck, über die reine Vermittlung von Geschäften hinaus einen Mehrwert zu schaffen.
E&M: Dann wird es bald zu einer Konsolidierung kommen?
Redanz: Im Grund ist dieser Konsolidierungsprozess bereits im Gange. Das zeigt sich meiner Meinung nach besonders daran, dass die erfolgreichen Broker ein hybrides Modell anbieten, das heißt, eine Handelsplattform in Kombination mit dem Telefongeschäft. Außerdem bieten wir Mehrwertdienste an. Damit meine ich nicht nur das OTC-Clearing, sondern beispielsweise auch die interaktive Verzahnung unserer Handelsplattform mit dem Risikomanagement beziehungsweise dem Back-Office des Kunden. Zu einer starken Stellung im Markt tragen auch Dienstleistungen bei, wie unser Multi-Brokerage-Konzept. Das bedeutet, auf unserer Handelsplattform können mehrere Telefon-Broker unabhängig von unserem eigenen Broker-Tisch agieren. Dabei könnten sie ein gemeinsames Interface zur Clearing Bank Hannover nutzen.
E&M: Enron Online wurde immer als sehr liquide Plattform gerühmt, über die man jederzeit einen Preis gestellt bekam. Enron war aber Händler, der eigene Positionen einging. Die Liquidität einer Broker-Plattform ist dagegen von beiden Seiten des Marktes abhängig.
Redanz: Für einen Broker gibt es Vor- und Nachteile. Enron war in der Lage, in Enron Online die gesamte Forward Curve abzubilden und damit eine bestimmte Meinung über den Markt wiederzugeben. Mit einer Broker-Plattform kann man aber die ganze Vielfalt des Marktes darstellen, da die Quotes von unterschiedlichen Marktteilnehmern kommen. Theoretisch kann es dann natürlich passieren, dass zu bestimmten Zeiten für bestimmte Produkte keine Preise zur Verfügung stehen. Dann ist diese Situation aber auch ein Spiegel des Marktes.
E&M: Wie hat der Markt den Ausfall von Enron Online abgefedert?
Redanz: Im Fall Enron geht es nicht so sehr um die Plattform an sich, sondern um die Funktion von Enron als Preisgeber im Markt. Das, was Enron ausgezeichnet hat, muss sich erst wieder entwickeln. Diese Lücke wird erst langsam ausgefüllt, beispielsweise von Electricité de France Trading und American Electric Power. Die Bereitschaft eine aktive Market-Maker-Funktion im bilateralen Markt zu übernehmen und damit auch die gesamte Forward Curve zu stellen, ist spürbar zurückgegangen.
E&M: Liegt es nur an der Risikoaversion im Hinblick auf einen möglichen Kreditausfall?
Redanz: Das ist sicher eines der schwerwiegendsten Argumente. Es ist allgemein zu beobachten, dass die Counterparty Limits deutlich restriktiver gehandhabt werden. Auch wenn sich der Markt seit Anfang Februar wieder etwas erholt, ist die Zurückhaltung noch deutlich spürbar.
E&M: Nimmt in einer solchen Situation das Telefongeschäft zu?
Redanz: Wir sehen keine Tendenz, dass die Marktteilnehmer häufiger direkt miteinander handeln, als einen Broker einzuschalten. Zudem nennt ein professioneller Broker seinen Kunden den jeweils anderen Kontraktpartner auch beim Telefongeschäft erst, wenn das Geschäft abgeschlossen ist. Von größerem Vertrauen kann deshalb nicht die Rede sein.
E&M: Dann war es ja allerhöchste Zeit, das OTC-Clearing einzuführen.
Redanz: Die maßgebliche Schwäche des bilateralen Handels war es bisher, dass eine zentrale, unabhängige Gegenpartei fehlte, die Adressausfallrisiken trägt. Die Folge war, dass die Teilnehmer im außerbörslichen Markt für jeden einzelnen Geschäftspartner ein Kreditrisiko bewerten mussten, ein enormer organisatorischer Aufwand gerade für den Risikomanager eines Unternehmens. Dass das OTC-Clearing ein wesentlicher Fortschritt ist, hat sich bei unseren skandinavischen Nachbarn gezeigt. In der Folge kam es zu mehr Marktteilnehmern und damit auch mehr Liquidität.
E&M: Nachdem Sie zusammen mit GFI von der Clearing Bank Hannover als Kooperationspartner für das OTC-Clearing auserkoren wurden, könnte man vermuten, dass es auch zwischen Ihnen und GFI eine Beziehung gibt.
Redanz: Wir sind Wettbewerber am Markt. Das ist unsere Beziehung. Es gibt kein Dreiecksverhältnis.
E&M: Der Broker-Markt ist noch sehr physisch geprägt. Wann wird das Derivategeschäft für Broker lukrativ?
Redanz: Das Bedürfnis nach Absicherung ist angesichts der zu beobachten Preisvolatilität sehr groß. Wir erwarten deshalb sehr kurzfristig einen kräftigen Anstieg der Nachfrage nach finanziellen Produkten. Dafür sind wir jedoch gerüstet, nicht zuletzt, weil wir schon frühzeitig die Zulassung als Finanzdienstleister beim BAKRed (Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen; d.Red.) beantragt und auch erhalten haben.
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Freitag, 25.03.2022, 16:22 Uhr
Freitag, 25.03.2022, 16:22 Uhr
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