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Quelle: E&M
E&M-DIREKTVERMARKTUNGS-ERHEBUNG:
Dank der Ampel
Mit dem Zubau vieler neuer Wind- und Solarparks, den die frühere Ampelregierung anschob, gibt es bei der Direktvermarktung wieder mehr Schwung. Das zeigt die 22. E&M-Branchenumfrage.
 
Die so oft geschmähte und im November 2024 geplatzte Ampelregierung hinterlässt Spuren: Vor allem, dass der Wind- und Solarenergieausbau wieder Fahrt aufgenommen hat, ist zahlreichen Gesetzen der früheren rot-grün-gelben Bundesregierung zu verdanken. Was auch den Direktvermarktern hierzulande guttut: Dank vieler neuer Wind- und Solarparks ist es im DV-Segment wieder zu mehr Schwung und Wettbewerb gekommen. 

Keine Veränderung, und das schon seit einem Jahr, hat es dagegen bei den Top Drei der E&M-Direktvermarktungs-Erhebung gegeben: Die Total-Tochter Quadra Energy hat mit einem Portfolio von gemeldeten 11.000 MW weiterhin die Nase vorn − und zwar vor der Energie Baden-Württemberg AG mit 10.125 MW und der Next Kraftwerke GmbH im Shell-Konzern mit 8.180 MW. 

In Düsseldorf, Sitz von Quadra Energy, zeigt sich Geschäftsführer Thomas Krings zufrieden mit dem bis zur Jahresmitte Erreichten: „Im Vergleich zum Jahresanfang ist unser Portfolio erneut gewachsen, in diesem Fall um 600 Megawatt.“ Fast im gleichen Atemzug erwähnt Krings, „dass Portfoliowachstum kein Selbstzweck für uns ist. Unsere Devise lautet: Kundenzufriedenheit geht vor Mengenwachstum.“ Krings ist zu lange im Geschäft, als dass er sich auf eine belastbare Prognose für das Gesamtjahr festlegen will: „Klar, wollen wir weiter wachsen. Unser Ziel ist es vor allem, unseren Marktanteil von rund 15 Prozent bei der Direktvermarktung von neu gebauten Windenergieanlagen zu halten.“

Zunehmend im Fokus bei Quadra ist die Vermarktung größerer Batteriespeicher: „Das ist ohne Zweifel für uns ein neues Wachstumsfeld. Damit der Umbau unseres Energieversorgungssystems gelingt, müssen viel mehr Flexibilitäten in den Markt integriert werden.“ Quadra kommt dabei zugute, dass der neue Eigentümer, der französische Öl- und Gaskonzern Total Energies, vor gut einem Jahr auch Kyon Energy mit Sitz in München übernommen hat, einen Projektierer und Betreiber von großen Batteriespeichersystemen. Die Bajuwaren wollen bis Ende dieser Dekade ein Portfolio von 2.000 MW Speicherkapazität am Start haben. Dass Quadra die Optimierung dieser Batteriespeicher übernimmt, liegt auf der Hand.

Auch dass das Gros der von der VSB-Gruppe mit Sitz in Dresden entwickelten Wind- und Solarprojekte künftig von Quadra bei der Vermarktung betreut wird, ist sehr wahrscheinlich. Ende vergangenen Jahres hat Total die Sachsen übernommen, deren Projektpipeline derzeit an die 18.000 MW umfasst − ein Großteil davon in Deutschland. Thomas Krings: „Total Energies baut derzeit ein ganzheitliches Ökosystem für erneuerbare Energien in Deutschland auf und etabliert sich als ein wichtiger Akteur für das Gelingen der Energiewende.“ 

Total hatte bei den zurückliegenden Ausschreibungen für die Windenergie auf See mehrere Zuschläge mit einem Gesamtvolumen von 7.500 MW abgeräumt. Heißt: In der ersten Hälfte der 2030er-Jahre könnte Quadra hierzulande zum größten Vermarkter von Offshore-Windstrom avancieren.

Allerspätestens, wenn die erste Offshore-Windturbine der Franzosen in der deutschen Nordsee mit der Stromeinspeisung begonnen hat, hofft Krings, dass endlich das Dauerärgernis Redispatch 2.0 gelöst ist. „Auch wenn sich schon einiges verbessert hat, sehen wir leider bei einigen relevanten Netzbetreibern immer noch immense Verzögerungen bei der Abarbeitung von Redispatch-Maßnahmen. Mit der neuen Festlegung der Bundesnetzagentur zur Weiterentwicklung des Redispatch 2.0 werden die Prozesse sogar eher noch verkompliziert als vereinfacht. Insbesondere werden die für die Abarbeitung des Großteils der Prozesse verantwortlichen Bilanzkreisverantwortlichen − oftmals die Direktvermarkter − in ihren Positionen geschwächt.“

Für eine Lösung dieses Problems sieht der Quadra-Geschäftsführer die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) in der Pflicht: „Es wäre schön, wenn sie mit ihren Erfahrungen aus dem Netzsektor eine für alle Beteiligten tragbare Lösung vorlegen könnte.“

Next: gut regelbare PV

Jahrelang gab es für das Portfolio von Next Kraftwerke mit Sitz in Köln nur eine Richtung: nach oben. Die Rheinländer zählen seit geraumer Zeit zu den größten drei Ökostrom-Direktvermarktern. Das haben sie ihrer Entscheidung zu verdanken, auch viele kleinere Solaranlagen (ab 100 kW Leistung) zu betreuen. Deshalb avancierte Next auch zum bundesweit größten Solarstromvermarkter.

Nun hat es zweimal in Folge ein Minus im Portfolio gegeben. Das beunruhigt Geschäftsführer Mark Lindenberg aber keineswegs: „Dass wir über die zurückliegenden zwölf Monate einige Hundert Megawatt abgegeben haben, nehmen wir gerne in Kauf. Uns liegt viel an einem ausgewogenen Portfolio.“

Gerade die Wetterextreme im vergangenen Jahr seien für Next mit so manchen Herausforderungen verbunden gewesen: „Uns kommt es nicht auf die Masse, sondern auf die Qualität der Solaranlagen an. Wir balancieren unseren Bestand über einen höheren Anteil gut regelbarer Photovoltaikanlagen aus“, so Lindenberg, der seit Anfang 2023 der dreiköpfigen Geschäftsführung von Next angehört. Next Kraftwerke lege den Fokus auf die wirtschaftliche Vermarktung und auf ein ausgewogenes Portfolio und nicht darauf, Nummer eins zu werden.

Biomassepaket muss Anlagen retten

Neben der Solarenergie hat Next Kraftwerke von Beginn an auf die Vermarktung von Biogasstrom gesetzt. In diesem Segment ist das Kölner Unternehmen seit Jahren die Nummer zwei (siehe Ranking-Kasten). Damit das so bleibt, drängt Geschäftsführer Lindenberg auf eine schnelle Notifizierung des Biomassepakets in Brüssel: „Ansonsten gehen reihenweise Anlagen vom Netz, da ihnen die Anschlussförderung fehlt.“

Verloren ginge damit auch ein großer Pool an Flexibilität: „Ich sehe nicht, dass künftig neue Biogasanlagen gebaut werden. Wichtiger ist vielmehr, dass bestehende Anlagen erhalten und dann flexibel gefahren werden können.“ Das sei die richtige Strategie, um das heimische Stromversorgungssystem gegen Dunkelflauten zu wappnen: „Es wäre fatal, wenn vorhandene Flexibilitätsoptionen vom Markt verschwinden würden.“

Neu: Batterien und deutscher Wind

Apropos Flexibilitäten: Auch Next Kraftwerke sieht „ein riesiges Potenzial“ bei Co-Location- und Stand-alone-Batteriespeichern. „Hier stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung, die nicht an fehlenden Genehmigungen und zu viel Bürokratie scheitern darf“, betont Lindenberg.

Und noch eine Neuheit wird es demnächst bei dem Direktvermarkter aus Köln-Ehrenfeld geben: Next Kraftwerke steigt in Deutschland in die Vermarktung von Windstrom ein. „Die Expertise haben wir“, sagt Lindenberg selbstbewusst. In Polen, Frankreich, Belgien und den Niederlanden hat Next zahlreiche Windparks mit einem Volumen von 2.500 MW Leistung unter Vertrag, in den Niederlanden sogar einen Offshore-Windpark. „Der Entschluss ist gefasst. Wir werden im ersten Schritt vor allem Betreiber von Ü20-Windturbinen ansprechen, deren Anlagen aus der EEG-Vergütung gefallen sind“, so Lindenberg mit Blick auf über 20 Jahre alte Windenergieanlagen. Wohl nicht von heute auf morgen, aber mittelfristig dürfte das Vermarktungsportfolio von Next Kraftwerke so wieder frühere Höhen erreichen. 

Impuls ohne klassischen Vertrieb

Bei der Impuls Energy Trading, ebenfalls mit Sitz in Köln, geht es auf jeden Fall weiter aufwärts. Die Rheinländer konnten sich erstmals mit einem Plus von 478 MW im Vergleich zum Jahresanfang unter den Top Five der größten Zuwächse platzieren. Bemerkenswert ist dieses Wachstum, da das Unternehmen bislang bewusst auf einen eigenen klassischen Vertrieb verzichtet und stattdessen stark auf White-Label-Partner setzt. „Dafür, dass wir in der Außendarstellung als Impuls Energy eher unterrepräsentiert sind, scheinen wir unseren Job nicht schlecht zu machen“, erläutert Geschäftsführer Johannes Päffgen. Nach wie vor verdient das 2023 gestartete Unternehmen das Gros seiner Einnahmen mit White-Label-Verträgen. „Wir sind parallel dabei, unser Produktportfolio peu a peu auszubauen“, so Päffgen. Schwerpunkt bleibe aber das White-Label-Geschäft: „Wir sehen uns eher als Ansprechpartner für andere Direktvermarkter und größere Betreibergesellschaften als für den Besitzer einer Solaranlage mit 300 Kilowatt Leistung.“

Impuls Energy ist die Schwestergesellschaft der Contigo (spanisch: „Mit dir“) Energie AG aus Bochum, die in erster Linie mittelständische Bündel- und Industriekunden mit Strom und Gas beliefert.

Apropos Solarenergie: Mit gut 1.400 MW Leistung zählt Impuls Energy mittlerweile zu den zehn größten Solarvermarktern hierzulande und plant, diesen Bereich weiter auszubauen. Mit Portfolios von knapp über 1.500 MW liegen Eon und Statkraft in Reichweite der Kölner.

Große PV regelt sich leichter ab

Zufrieden zeigt sich der erfahrene Energiehändler Päffgen, dass inzwischen das Abregeln größerer Solaranlagen bei negativen Börsenstrompreisen besser funktioniert als noch vor Jahresfrist: „Viele Direktvermarkter haben ihre Hausaufgaben gemacht. Ansonsten hätten wir noch mehr intensive Negativstunden erlebt.“ Päffgen will indes keine Prognose abgeben, wie sich das Solarpaket, das die Rest-Ampel Anfang des Jahres mit Unterstützung der Union beschlossen hatte, auf das Direktvermarktungs-Geschäft auswirken wird. Betreiber von neuen Solaranlagen erhalten demnach bei negativem Börsenstrompreis keine Vergütung. Unabhängig davon erwartet Impuls Energy trotz der aktuell niedrigen Marktpreise einen weiteren Ausbau der Photovoltaik.

Neu dabei: die bundesweiten Lokalwerke

Erstmals in der E&M-Übersicht sind die „LokalWerke“ Westmünsterland vertreten. Zu diesem Verbund hatten sich im Herbst 2023 die Stadtwerke Ahaus und die SVS-Versorgungsbetriebe GmbH für die Kommunen Stadtlohn, Vreden und Südlohn zusammengeschlossen. Schon vor der Fusion hatten die beiden Kommunalversorger Direktvermarktung angeboten, sagt Clemens Lösing, der bei den Lokalwerken die Abteilung Marktentwicklung und Innovation leitet: „Das gehört heute aus unserer Sicht zum Angebotsportfolio eines Stadtwerks als Kundenbindungsinstrument dazu.“
Aktuell vermarkten die Lokalwerke jede Menge Kilowattstunden in den Bereichen Windkraft, Biomasse, Solar und Kraft-Wärme-Kopplung, sagt Lösing, „Wir wollen den Betreibern regenerativer Kraftwerke signalisieren, dass auch wir das Geschäft in diesem Sektor des Energiemarkts kennen und als regionaler Partner bereitstehen.“ Das Portfolio der Lokalwerke umfasst derzeit 255 MW, mit Kunden im gesamten Bundesgebiet. 

Und es sollen mehr werden. „Wir gehen von einem weiteren Wachstum unseres Portfolios aus und wollen diesen Geschäftsbereich weiter ausbauen“, betont Lösing. Den Lokalwerken kommt dabei auch die Entwicklung vor der eigenen Haustür entgegen: Seit Jahren zählen die Kreise Borken, Coesfeld und Steinfurt zu den Aktivposten beim Ausbau Erneuerbarer in Nordrhein-Westfalen. Dieses Frühjahr hat die Bezirksregierung Münster den neuen Regionalplan Münsterland mit weiteren Flächen für neue Windparks beschlossen.

Als ländlich geprägte Region ist das Münsterland außerdem das Zuhause vieler Biogasanlagen. Zudem entdecken mehr Landwirte im Westmünsterland die wirtschaftlichen Chancen solarer Freiflächenanlagen − die alle einen Direktvermarkter brauchen. „Auch hierbei möchten wir den Anlagenbetreiber in einem schwieriger werdenden Marktumfeld unterstützen und dessen Direktvermarktungs-Aufgaben übernehmen“, so Lösing. 

Ob das gelingt, wird vielleicht schon die nächste Direktvermarktungs-Umfrage von E&M zeigen. Angesichts der ersten, nicht richtig überzeugenden Amtsmonate von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche wird es bei der Direktvermarktung spannend bleiben.
 
Die Tabelle zur E&M-Direktvermarktungs-Erhebung fürs erste Halbjahr 2025
Quelle: E&M

Die E&M-Direktvermarktungs-Erhebung fürs erste Halbjahr 2025
Für ihre 22. Direktvermarktungs-Erhebung hat die E&M-Redaktion wie gewohnt mehr als 200 Unternehmen angeschrieben, die bei den vier Übertragungsnetzbetreibern einen Bilanzkreis für das Marktprämienmodell beantragt haben.
In die Portfolioübersicht sind die Daten von 49 Unternehmen eingeflossen. Erstmals haben sich die kommunalen Lokalwerke Westmünsterland an der Umfrage beteiligt. Die E&M-Direktvermarktungs-Erhebung bleibt mit dieser Gesamtresonanz die mit Abstand größte und umfassendste in der heimischen Energiepublizistik.
Neben den einzelnen Größen der Portfolios sind auch folgende Ergebnisse der neuen Umfrage interessant:
  • Das Gros der 44 Unternehmen, die auf die Frage nach der Portfoliogröße antworten, geht von einem wachsenden Portfolio in den kommenden Monaten aus. Der Optimismus basiert auf der Tatsache, dass der Ausbau Erneuerbarer wieder Fahrt aufgenommen hat, allen voran die Solarenergie, mit Abstrichen auch die Windenergie an Land. Lediglich Engelhart CTP Renewables und Entega rechnen mit einem gleichbleibenden Portfolio.
  • Ebenfalls die meisten teilnehmenden Unternehmen vermarkten über White-Label-Verträge Portfolios Dritter: Mit BKW, Impuls und Engelhart betreuen derzeit drei Unternehmen externe Portfolios mit mehr als 1.000 MW.
  • Uneinheitliche Antworten gibt es darauf, wie sich das Geschäft mit den Batteriegroßspeichern entwickelt: 27 Unternehmen gehen von einem starken Wachstum aus, 17 von einem nur leichten Wachstum.
 

Ralf Köpke
© 2025 Energie & Management GmbH
Montag, 15.09.2025, 08:55 Uhr

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