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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Biologische Methanisierung als Energiespeicher
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Biologische Methanisierung als Energiespeicher
In Nordhackstedt entsteht ein Pilotprojekt zur biologischen Methanisierung − als Schlüsseltechnologie für ein sektorengekoppeltes erneuerbares Energiesystem im ländlichen Raum.
 
Eine Pilotanlage zur biologischen Methanisierung soll neue wichtige Erkenntnisse über ein Verfahren bringen, das von vielen Experten als „Hidden Chance“ der Biogasbranche gehandelt wird. Hierzulande ist es bislang noch nirgendwo erfolgreich zum Zuge gekommen. Im nächsten Jahr soll der vom Dresdener Ingenieurdienstleister „GICON“ entwickelte Rieselbettreaktor in Nordhackstedt unmittelbar neben einer schon bestehenden Biogasanlage errichtet sein. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH).

Der Standort in Nordhackstedt ist dafür gut gewählt: In der Nähe gibt es Strom aus Windenergie und Photovoltaik sowie eine Biogasanlage mit einem lokalen Wärmenetz. Was allerdings in dem 450-Einwohner-Ort noch fehlt, ist ein kluges, effizientes Zusammenspiel der Sektoren Strom, Wärme, Gas und auch Mobilität. Dann wäre die Energiewende in dem schleswig-holsteinischen Dorf zwischen Nord- und Ostsee in Gänze umgesetzt. 

Und genau an dieser Stelle kommt die kommende biologische Methanisierung in Nordhackstedt ins Spiel: Die Brüder Dirk und Bernd Nissen, Eigentümer der dortigen Biogasanlage sowie Betreiber eines lokalen Wärmenetzes, wollen den Rieselbettreaktor im Rahmen eines vom Bund mitfinanzierten Pilotprojekts im Frühjahr nächsten Jahres errichten.

Neben der Nissen Biogas GmbH & Co. KG und der Firma Gicon, die als Ingenieurdienstleistungsunternehmen aus Dresden den Reaktor in den vergangenen Jahren entwickelt hat, sind an diesem Vorhaben auch die Brandenburgische Technische Universität in Cottbus-Senftenberg und die Hochschule Flensburg beteiligt. Wissenschaftler der beiden Universitäten erhoffen sich durch die Begleitung der biologischen Methanisierung − auch „mikrobielle Methanisierung“ oder „Biomethansynthese“ genannt − Erkenntnisse darüber, ob und inwieweit das Verfahren zukünftig als Speichermedium gute Dienste leisten könnte. 

Methanbakterien arbeiten für die Energiewende

Die vier am Projekt beteiligten Unternehmen nehmen dafür rund 3 Millionen Euro in die Hand. Bei dieser Technologie wird Wasserstoff in das Biogas gegeben, um mithilfe von Methanbakterien (Archaeen) den Kohlendioxidanteil im Biogas zusammen mit dem Wasserstoff in Biomethan umzuwandeln. Nebenprodukte sind Wasser und Prozesswärme.

Die Ansprüche an die biochemischen Randbedingungen sind dabei vergleichsweise gering. Die erforderlichen Temperaturen liegen im Bereich von 53 bis 57 beziehungsweise 65 Grad Celsius. Der Betrieb kann nach Angaben der Projektteilnehmer bei Drücken von 40 mbar bis zu 25 bar erfolgen. Unverzichtbar für den Stoffwechsel der anaeroben Archaeen ist allerdings ein ausgewogenes Nährstoffmilieu im Rieselbettreaktor, den Gicon in Form einer senkrechten Säule konzipiert hat.

„Wir impfen unseren Reaktor mit flüssigem Gärrest aus der Biogasanlage. Dafür brauchen wir geringe Mengen, die im Kreislauf dafür sorgen, dass der Biofilm, der die oberflächengroße, vielschichtige Struktur unseres Rieselbettreaktors überzieht, während der metabolischen Arbeit der Bakterien stabil bleibt“, erklärt Marko Burkhardt von Gicon.

Der Verfahrenstechniker ist zuversichtlich: „Wir haben jahrelang am Großtechnikum an der Cottbuser Hochschule viel Entwicklungsarbeit in dieses Verfahren hineingesteckt. Wir sind daher froh, dass wir unser Wissen und die Funktionstüchtigkeit unseres Rieselbettreaktors trotz einiger Aufgaben, die uns noch bevorstehen, endlich in einer Demonstrationsanlage zeigen dürfen.“ 

Dirk Nissen hat sich lange mit der biologischen Methanisierung beschäftigt. Der studierte Maschinenbauer, der auf dem elterlichen Milchviehbetrieb in Nordhackstedt aufwuchs, hatte 2019 einer 100-seitigen Durchführbarkeitsstudie im Auftrag der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) zugearbeitet; in diesem Papier sind geeignete Standorte für eine Anlage für die biologische Methanisierung identifiziert worden. „Wir waren damals in Nordhackstedt schon bereit loszulegen, um eine Pilotanlage zu errichten“, erinnert sich Nissen.

Doch dann kamen Corona, Krieg und fast auch die Schuldenbremse dazwischen, ausgelöst durch den Gang der CDU zum Bundesverfassungsgericht. Viele FNR-Projekte wurden nach dem Urteil zusammengestrichen, nur wenige blieben übrig − darunter das mit der biologischen Methanisierung. Dabei hatte Nissen den Förderantrag schon fast zwei Jahre vorher, im Oktober 2022, eingereicht. Er erhielt den Zuwendungsbescheid aber erst im Juni 2024.

Nichtsdestoweniger bietet das lange Warten für den 56-Jährigen und seinen Bruder, der den elterlichen Bauernhof, der in den 1970er-Jahren aus dem Dorf an den Ortsrand ausgesiedelt wurde, übernahm und dessen Sohn heute eine große Milchviehherde betreut, eine echte Chance: Mit dem Einstieg in dieses Projekt gewährt es eine Perspektive für die Zeit nach der EEG-Laufzeit, die für ihre im Jahr 2006 gebaute Biogasanlage schon Ende 2026 endet.

Dabei ist die Wärmenutzung ihrer Anlage mit insgesamt 1,7 MW elektrischer Leistung und einem Satelliten-BHKW direkt im Ort beispielhaft: Mit dem eigenen Wärmenetz werden 130 Häuser vorsorgt, was rund 90 Prozent des Dorfes entspricht. Zudem erhält die im Ort ansässige Molkereifiliale der DMK je nach Bedarf Biogaswärme von der Biogas Nissen GmbH & Co. KG. Mit dem kommenden Rieselbettreaktor erzeugen die Nissen-Brüder dann auch Biomethan, das entweder direkt in Wärme umgewandelt oder alternativ ins Gasnetz eingespeist werden kann.

Eine interessante Option könnte auch der Bau einer CNG- respektive LNG-Anlage sein, um zukünftig Traktoren und auch Lkw zu betanken. Verstromen dürfen die Nissens das Biomethan (bisher) nicht, weil das EEG es (noch) nicht zulässt. Langfristig wäre aber auch das eine gute Option.

Alternative für Windstromproduzenten

„Wir haben hier in der Region schon jetzt viel Wind- und Solarstrom, der nicht immer vom Netz aufgenommen werden kann und zu gewissen Tageszeiten schon Negativpreise einfährt. Stattdessen können wir mit diesem überschüssigen Strom einen Elektrolyseur antreiben, der preisgünstigen grünen Wasserstoff für unsere biologische Methanisierung bereitstellt“, blickt Nissen in die Zukunft. Zumal der Strompreis an der Börse durch den massiven Ausbau von PV und Windkraft schon heute an vielen Stunden auf null gesunken ist.

Was ist, wenn dieser Trend weiter anhält und am Ende der Strom über längere Zeiträume „wertlos“ wird? Unabhängig von dieser sich energiewirtschaftlich zuspitzenden Frage erhöht Nissen mit seinem Einstieg in die biologische Methanisierung auf jeden Fall die energetische Effizienz seiner Anlage. „Wenn wir die Abwärme aus dem Prozess mitnutzen, dann kommen wir auf über 80 Prozent Wirkungsgrad“, sagt Nissen. Und bietet für Windstromproduzenten via Wasserstoffproduktion ein Alternative zum Stromnetz an.

„Das ist ein ganz wichtiger Aspekt“, unterstreicht auch Marko Burkhardt von Gicon, „deshalb ist unser Projekt in Nordhackstedt eine gute Möglichkeit, der ganzen erneuerbaren Energiebranche, aber auch der Politik zu demonstrieren, dass unsere Idee, unser Ansatz und unser Verfahren ein guter Weg sind, um grünen Strom zu speichern. Ich hoffe sehr, dass dies von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird.“ 

Ob am Ende das alles so kommen wird, wie es die derzeitigen Planungen aller Beteiligten versprechen, ist allerdings noch abzuwarten: Denn noch hat die Energiewende next level in Nordhackstedt durch die Demonstrationsanlage mit einem Arbeitsvolumen von 50 Kubikmetern und einem angepeilten stündlichen Methan-Output von 20 Normkubikmetern gar nicht begonnen.

Aber man darf ja schon mal ein bisschen optimistisch vorausschauen. Zumal das Verbundprojekt mit dem etwas holprigen Namen „WeMetBio2“ (Windenergie durch Integration der biologischen Methanisierung im Rieselbettverfahren) auch die ökonomischen und ökologischen Parameter im lokalen Kontext genau unter die Lupe nehmen wird. Zu welchen Preisen können Wasserstoff, Biomethan und Wärme tatsächlich produziert werden?

Ergebnisse, die letztlich für viele Wärme-, Strom- und Gasnetzbetreiber, aber auch Betreiber von PV- und Windkraftanlagen, für Wasserstoff- und Biogaserzeuger und andere CO2-Emittenten von Interesse sind. Ganz abgesehen davon könnte das auch für Biogasanlagen, die demnächst aus der EEG-Förderung fallen, eine interessante Variante sein. 
 
Dirk Nissen erklärt das Prinzip einer Anlage zur Methanisierung
 Quelle: Joerg Boethling
 

Dierk Jensen
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Mittwoch, 10.09.2025, 08:56 Uhr

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