
Die bisher üblichen Verfahren wie Spülbohrung oder Durchpressung kamen für die Unterquerung der ICE-Strecke Nürnberg – Ingolstadt
nicht infrage. Grund: Strengste Vorschriften der Bahn, die keinerlei Setzungen oder Vibrationen im Bereich der Schienentrasse
erlaubten. „Die Trasse verläuft auf einem durchgehenden Betonblock, der sehr empfindlich ist“, erläuterte Bayernwerk-Projektleiter
Heiner Scholten vor Ort. Maximal einen Millimeter Setzung habe die Deutsche Bahn verlangt.
Diese Forderung, so Scholten, könne man nur mit einem Tunnelbohrgerät erreichen. Beim sonst gängigen Durchpressen von Rohren
etwa könnten Steine nach oben gedrückt werden und für Bodenveränderungen sorgen. „Der Bohrer dagegen fräst sich durch alles
durch, da tut sich an der Oberfläche nichts.“ Und das ist auch gut so, donnern doch hier die ICEs mit 160 Kilometern pro Stunde
über die Baustelle.
Gebraucht werden die beiden unterirdischen Bauwerke für zwei 110-kV-Leitungen zwischen dem Umspannwerk Etting in der Ingolstädter
August-Horch-Straße und dem Umspannwerk Audi in der Carl-Zeiss-Straße. Hintergrund, so erläutert man beim Bayernwerk, sind
gestiegene Leistungsanforderungen – beispielsweise durch E-Mobilität – sowie die Optimierung der lokalen Netzstruktur.
Fertigbetonschächte ersetzen Spundwände
Die Tunnelröhren haben einen Innendurchmesser von 60 Zentimetern und werden jeweils drei elf Zentimeter dicke Adern eines 110-kV-Kabels aufnehmen, das vor und hinter der Bahnstrecke unter Rübenfeldern den Weg in die
Umspannwerke findet.
Klaus Gerhardter, Oberbaustellenleiter beim Microtunnel-Spezialisten Wadle Bauunternehmung GmbH aus Essenbach (Landkreis Landshut,
Bayern), hat mit seinen Männern eine Woche gebraucht, um die Baustelle mit den Absenkschächten einzurichten. Durch den Einsatz
der Fertigbetonschächte, aus denen der Vortrieb und das Nachschieben der Röhren erfolgt, wird das Rammen von Spundwänden vermieden.
Das war wegen der Vibrationen aus Sicherheitsgründen ebenfalls nicht erlaubt. Eine weitere Woche nehmen die Bohrarbeiten selbst
in Anspruch. Ein riesiger Raupen-Telekran ist im Einsatz, ein Stromaggregat und eine hochkomplexe Steuerungsanlage für die
Bohr- und Spülarbeiten. Diese ermöglicht es dem Team von Gerhardter, seinem Anspruch gerecht zu werden, auf den Millimeter
genau dort herauszukommen, wo es vorgesehen ist.
Die Sicherheit der ICE-Strecke hat ihren Preis: 500.000 Euro lässt sich das Bayernwerk den Kabeltunnel kosten. Das ist deutlich mehr, als bei den sonst üblichen Verfahren. Im Frühjahr
sollen die neuen Leitungen zwischen den beiden Umspannwerken unter Strom gesetzt werden.

Röhren erfolgen aus einem Fertigbetonschacht heraus
Bild: E&M, Günter Drewnitzky

Montag, 02.11.2020, 15:02 Uhr