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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Aus der Not eine Tugend
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Aus der Not eine Tugend
Eine Reihe von Stadtwerken hat eigene Gesellschaften für den Betrieb von Ladesäulen gegründet. Einige haben sich aber auch aus dem Geschäft zurückgezogen.
 
Im Rahmen einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC im vergangenen Jahr haben 44 Prozent der befragten Kommunen und Stadtwerke die Regulatorik als eine der größten Hürden beim Ausbau der Ladeinfrastruktur bezeichnet. Explizit zur Sprache kam dabei auch der § 7c EnWG. Er besagt, dass Stromnetzbetreiber weder Eigentümer noch Entwickler, Betreiber oder Verwalter von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge sein dürfen.

Insbesondere für kleine Stadtwerke erschwere diese Vorschrift, eine Ladeinfrastruktur zu betreiben, schreiben die Autoren der PwC-Studie in ihrem Report vom November 2024. Denn auch für De-minimis-Unternehmen, also Stromnetzbetreiber mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden, gibt es grundsätzlich keine Ausnahme − lediglich eine Übergangsfrist. Zunächst sollte diese Ende Dezember 2024 auslaufen.

Mit der „kleinen“ EnWG-Novelle, die der Bundestag am 31. Januar 2025 beschlossen hat, wurde sie − aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, wie der Gesetzgeber hervorhob − jedoch bis zum 31. Dezember 2026 verlängert. Eine Reihe von Stadtwerken hat sich an der ursprünglichen Frist orientiert und darauf reagiert − zum Teil mit dem Rückzug aus der Elektromobilität, zum Teil mit der Gründung neuer Gesellschaften.

Rückbau von Ladesäulen

Zur ersten Gruppe gehört die Zwickauer Energieversorgung (ZEV). „Natürlich bedauern wir, dass wir uns aus dem Bereich der Elektromobilität zurückziehen müssen. Denn sie ist ein wichtiger Baustein der Energiewende“, lässt sich Dominik Wirth, der kaufmännische Geschäftsführer der ZEV, in einer Mitteilung vom 8. November 2024 zitieren. Andre Hentschel, sein Kollege aus dem Technikressort, machte für den Rückzug vor allem die Regelung des § 7c EnWG verantwortlich. Sie stelle für alle Energieversorger ein Problem dar, die ihren Netzbetrieb nicht in eine eigene Tochtergesellschaft ausgelagert haben. „Denn diese fallen dann insgesamt als Unternehmen unter das Betriebsverbot“, so Hentschel. Vor diesem Hintergrund war dann vom Rückbau von zehn Ladepunkten die Rede.

Auch für die Stadtwerke Haldensleben ist das Thema Ladeinfrastrukturbetrieb beendet. Das Unternehmen hat seine 32 Ladepunkte an Q1 Energy verkauft. Die Option, eine eigene Sparte unter dem Dach einer Tochtergesellschaft zu gründen, habe aufgrund der relativ geringen Gesamtstrommenge keine Rolle gespielt, sagte eine Sprecherin zu E&M. Bei 2.065 Ladevorgängen seien 2024 insgesamt 38.000 kWh abgegeben worden. Mit dem Verkauf der Ladesäulen an Q1 Energy habe man die Ladeinfrastruktur in Haldensleben langfristig sichern und den E-Mobilisten auch in der Region den Zugang zu einem leistungsfähigen Ladenetz weiterhin gewährleisten können.

Heinz Wächter, Projektingenieur im Bereich Nachhaltige Energien bei Q1 in Osnabrück, würdigt die „Pionierarbeit“ der Stadtwerke Haldensleben. Diese hatten bereits im April 2012 am Bahnhof der 20.000-Einwohner-Kommune ihre erste Ladesäule in Betrieb genommen. In den Folgejahren sei die Infrastruktur teilweise mit Fördermitteln weiter ausgebaut worden. Heute habe Haldensleben in Relation zur Einwohnerzahl die dichteste Ladesäuleninfrastruktur in Sachsen-Anhalt, so die Sprecherin der Stadtwerke. Die Stadt habe dem Wechsel des Betreibers im Rahmen des Verkehrsflächennutzungsvertrags „unkompliziert“ zugestimmt und der Landkreis Börde habe den Wechsel bilateral mit Q1 organisiert.

Viel Lob für die Pionierarbeit der Stadtwerke

„In den gemeinsamen Gesprächen stand stets die nachhaltige Sicherung der Ladeinfrastruktur im Fokus“, berichtet Wächter und betont, Q1 werde die Arbeit der Stadtwerke fortführen „und eine kostengünstige sowie zuverlässige Versorgung mit Ladestrom gewährleisten“. Kostengünstig bedeutet in diesem Zusammenhang ein Ladepreis von 49 Cent/kWh. Als erfahrener Ladenetzbetreiber mit mehr als 200 Ladepunkten sei es Q1 möglich, Kostenvorteile an die Nutzerinnen und Nutzer in Haldensleben weiterzugeben, erklärt Wächter auf Anfrage von E&M. Die Stadtwerke hatten bislang einen Preis von 69 Cent/kWh und 58 Cent pro Ladevorgang aufgerufen.

„Für einen Ladenetzbetreiber wie Q1 stellt die Gelegenheit zur Eingliederung einer lokal etablierten und gut gepflegten Ladeinfrastruktur eine seltene Chance zur Erweiterung des eigenen Netzes dar“, freut sich Wächter und lobt die Stadtwerke weiter. Sie hätten erkannt, dass eine wohnortnahe Ladeinfrastruktur ein entscheidender Faktor für den Hochlauf der Elektromobilität ist. „Aus dieser Überlegung entstand ein über das Stadtgebiet verteiltes und am Bedarf orientiertes Ladenetz“, so der Projektingenieur von Q1.

Das Q1-Ladenetz wachse stetig, auch weil immer mehr Tankstellen des Unternehmens mit Schnellladeinfrastruktur ausgestattet werden. Außerhalb des eigenen Tankstellennetzes liege der Fokus aber auf der Zusammenarbeit mit Kommunen und kommunalen Unternehmen. Der bisherige Erfolg der Kooperationen habe die Verantwortlichen bestärkt, diesen Weg fortzusetzen. „Zur Übernahme weiterer Ladenetze stehen wir gerne zur Verfügung. Auch individuellen Interessen wie der Weiterversorgung mit Ökostrom oder einem Co-Branding stehen wir offen gegenüber“, so der Projektingenieur.

Bei drei Stadtwerken aus der Pfalz wird Wächters Werben jedoch nicht erfolgreich sein, denn sie haben bereits eine eigene Gesellschaft gegründet. Die „PfalzLader GmbH“ betreibt seit Anfang 2025 die bislang 17 Ladesäulen der Stadtwerke Deidesheim, Bad Dürkheim und Wachenheim. Die drei Unternehmen sind zu je einem Drittel am Joint Venture beteiligt.

Eine Stilllegung oder ein Verkauf der Infrastruktur sei keine Option gewesen, hatte Alexander Will, Geschäftsführer in Deidesheim, bereits Ende des vergangenen Jahres im Kundenmagazin des Versorgers betont. Die Stadtwerke und Kommunen seien entschlossen, die Energiewende aktiv mitzugestalten. Dazu gehöre auch ein bedarfsgerechter Ausbau der Ladeinfrastruktur. Obendrein sei die technische Zusammenführung relativ einfach möglich, da alle drei Werke bereits mit dem Backend-Betreiber Smartlab zusammenarbeiten.

Offensichtlich machen Stadtwerke vor dem Hintergrund des § 7c EnWG aus der Not eine Tugend. Denn die Gesellschafter der Pfalzlader GmbH haben zwar bei der Gründung des Joint Ventures ausdrücklich auf das Betriebsverbot für Stromnetzbetreiber verwiesen. Von ihrem Gemeinschaftsunternehmen versprechen sie sich aber auch eine Kostenersparnis bei der Planung und beim Bau der Ladeinfrastruktur − insbesondere für kleinere Stadtwerke ein kritischer Erfolgsfaktor.

Neue Gesellschaft soll eigene Marke werden

Letzteres tun auch die Gesellschafter von „Regioladen+“. Etwa 900 Ladepunkte haben die 15 Stadtwerke und Regionalversorger aus der Thüga-Gruppe in das Joint Venture eingebracht. „Die Gesellschaft steht natürlich weiteren Partnern innerhalb und außerhalb der Thüga-Gruppe offen“, sagt Christoph Ullmer, Leiter des Kompetenzcenters Innovation bei der Thüga. Regioladen+ soll aber auch als eigene Marke wahrgenommen werden. Eine entsprechende Gestaltung der Ladesäulen, die an das Gemeinschaftsunternehmen übertragen wurden, werde im Laufe des Jahres erfolgen, sagte ein Thüga-Sprecher kürzlich zu E&M.

Der § 7c EnWG sei einer von mehreren Anstößen zur Gründung von Regioladen+ gewesen. Wie die drei Stadtwerke aus der Pfalz hätte sich angesichts der Verlängerung der Übergangsfrist auch die Thüga etwas mehr Zeit bei der Joint-Venture-Gründung lassen können. Aber vor allem die Aussicht auf Synergien habe die Stadtwerke bewogen, ihre Ladeinfrastruktur an die neue Gesellschaft zu übertragen, so der Thüga-Sprecher. Daher habe die gesetzliche Fristverlängerung auch keine Auswirkungen auf die Pläne und Ziele der Thüga-Beteiligungen.

Konkrete Vorteile sehen die Partner in der Bündelung übergreifender Funktionen, beispielsweise in der gemeinsamen Beschaffung von Ladesäulen. Hier verhandle die Thüga „sehr gute Konditionen“, versicherte der Sprecher. Ein weiterer Benefit für die Beteiligten ist ein effizienterer Backend-Betrieb. Durch die Bündelung der Ladeinfrastruktur seien bereits erste Synergien gehoben worden. Konkrete wirtschaftliche Daten beziehungsweise Prognosen könnten jedoch nicht öffentlich gemacht werden.

Die Summe der Ladepunkte aller Beteiligungen der Thüga beläuft sich nach eigenen Angaben auf rund 9.300. Sie selbst werde allerdings auch in Zukunft keine eigene Ladeinfrastruktur betreiben, sondern bleibe strategischer Partner und Impulsgeber für die Beteiligungen. Konkret bedeute dies etwa, Best Practises zu teilen, Wissen zu bündeln, punktuell zu beraten oder Aktivitäten zu koordinieren.

 
Die Stadtwerke und ihre Partner wollen die Elektromobilität vorantreiben
Quelle: E&M / Fritz Wilhelm


 
 

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