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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Analoge Beratung mit digitaler Plattform
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Analoge Beratung mit digitaler Plattform
Ein britischer Vermittler von Power Purchase Agreements (PPA) ist in den deutschen Markt eingedrungen: die Renewable Exchange.
 
„Renewable Exchange hat in diesem Jahr bereits 34 Ausschreibungen mit einer Gesamtkapazität von 380 Megawatt durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt auf PPA mit kurzer Laufzeit für Post-EEG-Anlagen und EEG-Anlagen mit niedrigen anzulegenden Werten“, berichtet Christian Llull E&M exklusiv über das Angebotsvolumen auf dem digitalen Marktplatz hierzulande. 2018 hatte RE in England scharf geschaltet, Ende 2022 auch in Deutschland.

Der seit Langem in Deutschland lebende Franzose und Schweizer Llull leitet seit Herbst 2023 von Mainz aus die Expansion der britischen Renewable Exchange in vier weitere europäische Länder. Er wirkt seit fast 15 Jahren international in der Erneuerbaren-Branche und in der Geschäftsfeldentwicklung. Unter anderem war er bei den Projektierern Abo Energy (damals Abo Wind) und Volkswind.

Die deutsche PPA-Szene wird von Beratern wie Enervis, Schneider Electric und Pexapark beherrscht. Daneben haben sich erste digitale Marktplätze gebildet: Das US-Unternehmen Level Ten, seit 2010 in Europa, sieht sich als Deutschland-Marktführer bei der Zahl der angebahnten Ausschreibungen. Und bei Flexpowers „Power Match“, seit Sommer 2023 online, soll die Anbahnung nur noch wenige Stunden statt Wochen dauern. Node Energy schließlich bietet zwar keinen Marktplatz, aber eine besondere PPA-Dienstleistung bis hinunter auf die Direktvermarktungsgrenze von 100 kW. Die Energiebörse macht umgekehrt einen Bogen um das kleinteilige PPA-Geschäft und kleine Anbieter und Nachfrager wegen des Aufwands einen Bogen um die Energiebörse.

Gründungssaga: Förderfreie Energiewende

2016 hatte Robert Ogden die Renewable Exchange in Bristol gegründet und tüftelte dann noch zwei Jahre an dem Marktplatzwerkzeug, bis er mit seiner Hilfe den ersten PPA-Abschluss vermittelte. Ogden war zuvor bei dem Grauenergieversorger Ovo Energy. Seine Mission: die Energiewende mittels PPA unabhängig von Subventionen machen, indem man ihre Transaktionskosten senkt.

Bis Ende 2023 kamen bei RE 2.000 britische PPA zusammen. Mehr als 1.000 grüne Kraftwerksbetreiber und -vermarkter, Projektierer und Landeigner mit zusammen 6.500 MW sind gelistet, 15 Millionen kWh gehen pro Jahr über den Tresen: RE sieht sich als britischer Marktführer. Wenn sich ihre dortigen Kunden erst mal auf den von RE angebotenen PPA-Mustervertrag oder auch auf abweichende Konditionen geeinigt haben, dann dauert eine Ausschreibung auf der Plattform lediglich 24 Stunden.

Mittlerweile beschäftigt Renewable Exchange knapp 20 Mitarbeiter. Die deutsche Tochtergesellschaft hat ihren juristischen Sitz in Hamburg und Büros in Mainz und Regensburg. Den spezifischen Ansatz für den hiesigen PPA-Markt formuliert Christian Llull, Leiter der Deutschland-Tochter von RE, so: „Wir verstehen uns in erster Linie als Berater und Begleiter von Anbietern grüner Stromerzeugungskapazitäten, um sie in einem günstigen Zeitfenster auszuschreiben.“

Im August zum Beispiel seien die Futures, die zwölfmonatige bis dreijährige PPA absichern und damit PPA-Referenzpreise darstellen, um 5 bis 10 Euro/MWh teurer gewesen als in den Monaten davor. „Unsere Plattform verstehen wir mehr als Werkzeug, um unsere Kunden agil zu machen, um die Transaktionskosten zu senken mit Preisvergleichen, Prognosen und Portfoliomanagement.“ PPA-Verkäufer könnten sich dort auch Preisalarme stellen.

Warum die Käufer im Schwerpunkt Versorger sind

So schnell wie möglich zum PPA-Abschluss zu kommen, sei daher nicht das Ziel der Renewable Exchange. Hierzulande könnten sich die Vertragsverhandlungen − und auch die Überzeugungsarbeit gegen überzogene Preisvorstellungen aus der Zeit der Energiekrise − wie anderswo auch durchaus wochenlang hinziehen. Ein deutscher PPA-Mustervertrag sei bei der RE noch „ein Projekt“. Llull: „Es geht um Risikoverteilung: Wie gehen die Vertragspartner zum Beispiel mit negativen Preisen um, wie mit dem Ausgleichsenergiebedarf?“

Energieversorger können mit diesen Risiken naturgemäß auch auf der Käuferseite leichter umgehen als Gewerbebetriebe. „Sie können Pay-as-produced-PPA anbieten“, sagt Llull mit Bezug auf die gängige Klausel, wonach der Käufer nur jenen Ökostrom bekommt, der gerade von den betreffenden Anlagen erzeugt wird, sowie die entsprechenden Herkunftsnachweise. Um den Rest muss sich der Stromabnehmer selbst kümmern. So liegt der Schwerpunkt der RE auf Utility PPA, zudem wegen der geringeren Laufzeiten auf bereits in Betrieb befindlichen Anlagen kleiner und mittlerer Betreiber, mit und ohne Förderung.

Die deutschen Pilotkunden

Wie so oft, wenn ein Unternehmen international expandieren möchte, bedient es zunächst die Nachfrage von Bestandskunden in den Zielländern. So hat Koehler Renewable Energy − eine Tochter des badischen Spezialpapierherstellers Koehler − die RE nach einer PPA-Ausschreibung mit eigenen britischen Wasserkraftwerken auch für ein PPA auf seinen 8,4-MW-Windpark in Wetzlar-Blasbach genutzt. Der ging im ersten Quartal in Betrieb und soll jährlich 25 Millionen kWh Ökostrom erzeugen.

Cornelius Schulthess, Corporate Director of Energy bei Koehler Renewable, spricht in einer Selbstdarstellung der RE von „positiven Erfahrungen“ mit der Ausschreibung: „Wir konnten mehrere Angebote und Stromkäufer auswerten und uns attraktive Preise und Konditionen sichern.“ Auch Abo Energy hat den Gang der RE nach Deutschland in einem Pilotprojekt mitgemacht.

Kostenloser Zugang

Und so funktioniert’s: Die reine Teilnahme an der Plattform und an Ausschreibungen ist sowohl für die grünen Kraftwerksvermarkter als auch für die Abnehmer (Offtaker) kostenlos. Sie können „sofort“ an den Ausschreibungen teilnehmen, so das Versprechen. Es erwartet sie eine Übersicht über alle vergleichbaren PPA-Gebote bei Wind, PV, Wasser oder Biomasse zum Fixpreis in Euro/MWh. Die Dimensionen reichen bisher von 0,5 bis 100 MW.

„Wir erhalten auf die Ausschreibungen in der Regel zwischen sechs und zehn qualifizierte Angebote, je nach Standorten“, sagt Christian Llull. Danach wählt der Stromverkäufer das Gebot mit dem höchsten Kaufpreis aus. Führen dann von Renewable Exchange moderierte Verhandlungen zum Abschluss, muss nur der Abnehmer ein Erfolgshonorar zahlen. Und nur auf tatsächlich gelieferten Ökostrom erhebt die RE eine Tantieme, „im niedrigen einstelligen Euro-pro-Megawatt-Bereich“, deutet Christian Llull an. Die Gebühr sei vorher in den Preisvergleichen bereits abgezogen.

Umgekehrt bedeutet dies, dass die RE nach intensiver Vermittlungsleistung erst Geld sieht, wenn ein PPA in die Stromlieferphase geht. Inhaber Ogden hat zur Wachstumsfinanzierung den Investor Intelligent Energy Technology Ltd. mit einem Minderheitsanteil reingenommen.

Fragt man Christian Llull nach einer Zusammenfassung der Renewable Exchange in einem Satz, formuliert er es so: „Wir eröffnen Anlagenbetreibern Möglichkeiten.“
 
„Wir verstehen uns in erster Linie als Berater und Begleiter von Anbietern grüner Stromerzeugungskapazitäten, um sie in einem günstigen Zeitfenster auszuschreiben.“ Christian Llull, Deutschlandchef der britischen Renewable Exchange
Quelle: Renewable Exchange
 

Georg Eble
Redakteur
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Freitag, 18.10.2024, 09:15 Uhr

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