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Enerige & Management > Österreich - 2027 Ausstieg aus russischem Gas
Quelle: Pixabay / slon_pics
ÖSTERREICH:
2027 Ausstieg aus russischem Gas
Die Regierung aus Konservativen und Grünen will das Import-Ende in der österreichischen Sicherheitsstrategie verankern. Kritik kommt von der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei.
 
Österreichs Regierungskoalition aus den Konservativen (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und den Grünen einigte sich darauf, die Gasimporte aus Russland mit dem Jahr 2027 zu beenden. Ein entsprechender Passus soll in die in Überarbeitung befindliche Sicherheitsstrategie aufgenommen werden, berichtete die Tageszeitung Kurier am 3. August. Einen konkreten Plan für den Ausstieg gibt es laut der Zeitung nicht.

In der Einigung heißt es dem Kurier zufolge: „Österreich will im Einklang mit den Beschlüssen des Europäischen Rates die Abhängigkeit von russischen Energieeinfuhren beenden, um dadurch Wirtschaft und Haushalte vor neuerlichen Preis- und Versorgungsrisiken zu schützen. Der Anteil der Gaseinfuhren aus Russland in die EU konnte von 2021 auf 2023 von 45 Prozent auf 15 Prozent reduziert werden. Ein vollständiger Ausstieg ist nach den Plänen der Europäischen Kommission durch eine Reduktion des Gasverbrauchs, die Diversifizierung der Lieferquellen und den Ausbau der heimischen erneuerbaren Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen deutlich vor 2030 möglich.“

Die derzeitige Sicherheitsstrategie stammt aus dem Jahr 2013. Russland wird darin bezüglich der Energieversorgung als ein „strategischer Partner“ Österreichs bezeichnet.

Grundsätzlich möglich

Dass der Verzicht auf russisches Gas technisch grundsätzlich schon derzeit möglich ist, hatten, wie berichtet, Vertreter der Regulierungsbehörde E-Control sowie des Energiekonzerns Verbund in den vergangenen Monaten mehrfach festgehalten. Als wesentlichste Voraussetzung für den dauerhaften Verzicht bezeichnete Verbund-Generaldirektor Michael Strugl den Ausbau der West-Austria-Gaspipeline (WAG), über die Österreich Gas aus Nordwesteuropa beziehen kann.

Am 4. Juli hatte das Bundesparlament beschlossen, das diesbezügliche Projekt „WAG Loop 1“ mit bis zu 70 Millionen Euro zu unterstützen. Zurzeit verhandeln der Projektbetreiber, die zu 50 Prozent dem Verbund gehörende Fernleitungsgesellschaft Gas Connect Austria (GCA), und das Finanzministerium über den entsprechenden Vertrag.

Offene Fragen

Rechtlich und wirtschaftlich wäre der Ausstieg per 2027 aber nicht ohne Risiken. Bekanntlich verfügt der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV über einen Take-or-Pay-Vertrag (TOP-Vertrag) mit der russischen Gazprom Export, der bis 2040 läuft und sich auf etwa 6 Milliarden Kubikmeter Erdgas (66 Milliarden kWh) pro Jahr bezieht. Österreichs Gesamtbedarf liegt bei 90 Milliarden kWh. Vertreter der OMV und der E-Control hatten mehrfach sinngemäß bekundet, der vorzeitige Ausstieg aus dem TOP-Vertrag sei prinzipiell möglich, aber mit Bedingungen und nicht zu unterschätzenden Kosten für die österreichischen Gaskunden verbunden.

Hinzu kommt: Die Republik Österreich hält über die Österreichische Beteiligungs AG (Öbag) 31,5 Prozent an der OMV. Weitere 24,9 Prozent gehören der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Die Anteile der Öbag und der Adnoc sind über einen Syndizierungsvertrag verbunden. Somit müssten sich die Öbag und die Adnoc auf einen vorzeitigen Ausstieg aus dem TOP-Vertrag verständigen. Ob und unter welchen Bedingungen die Adnoc hierzu bereit wäre, ist fraglich. Sie verhandelt seit Monaten mit der OMV über die Schaffung eines Petrochemiekonzerns von Weltrang – „ergebnisoffen“, wie OMV-Generaldirektor Alfred Stern bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz am 31. Juli erneut bekundete.

Ferner laufen von Wirtschaftsseite mit politischer Rückendeckung Verhandlungen über die Fortsetzung der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine ab 1. Januar 2025. Bekanntlich schloss die Ukraine die Verlängerung des Transitvertrags mit Russland aus. Ob Shipper bereit wären, Verträge für zwei Jahre zu schließen, ist offen.

Kritik der Freitheitlichen

Scharfe Kritik an der nunmehrigen Einigung der Koalitionsparteien zum Ausstieg aus dem russischen Gas kam vom Energiesprecher der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Axel Kassegger. Ihm zufolge macht Gas aus Russland nach wie vor rund 90 Prozent der nach Österreich importierten Mengen aus: „Diesen Wert will diese Regierung in ihrer blinden EU-Hörigkeit bis 2027 auf null senken, hat aber keinerlei Plan dafür, wie das gehen soll. Das kann man nur als politische Wahnsinnstat bezeichnen, deren Zeche die Haushalte, die Industrie, die Betriebe und letztlich alle Österreicher bezahlen müssen, indem die Teuerung weiter angeheizt wird. ÖVP und Grüne stellen hier wieder einmal Interessen der Eliten über die Interessen der eigenen Bevölkerung.“

Kassegger kündigte sinngemäß an, den Ausstieg zu annullieren, wenn es seiner Partei gelingt, die dominante Kraft in der künftigen Bundesregierung zu werden. Die FPÖ dürfte bei der Parlamentswahl am 29. September eine relative Mehrheit von rund 27 Prozent erreichen. Doch bekundeten alle anderen derzeit im Parlament vertretenen Parteien – neben den Grünen und der ÖVP sind dies die Sozialdemokraten und die Liberalen –, mit der FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl nicht koalieren zu wollen.
 

Klaus Fischer
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Montag, 05.08.2024, 11:02 Uhr

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