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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - „Wir sind Beziehungsmenschen“
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
„Wir sind Beziehungsmenschen“
Die Wilken Software Group hat ein neues Kapitel aufgeschlagen, mit neuem Logo und hohem Anspruch, wie im Gespräch mit CEO Dominik Schwärzel deutlich wird.
 
E&M: Herr Schwärzel, sind Verantwortungsbewusstsein und Haltung wettbewerbsentscheidende Faktoren für IT-Anbieter in der Energiewirtschaft?

Schwärzel: Es ist vor allem ein Vorteil, wenn man die Verantwortung für End-to-End-Prozesse übernimmt und nicht andere Hersteller an den Pranger stellt, wenn etwas beim Kunden nicht so läuft, wie es soll. Am Ende hat aber vieles mit der richtigen Einstellung und der Haltung zu tun, also ja, definitiv.

E&M: Meinen Sie wie bei Handwerkern, die als Erstes fragen, wenn sie beim Kunden ankommen: Wer hat denn diesen Murks gemacht?

Schwärzel: Ja, so ähnlich. Wir übernehmen mit unseren Kollaborationspartnern gemeinsam die Verantwortung und stehen zu unserem Versprechen, dass wir zusammen eine Lösung für die gesamte Energiewirtschaft haben − für kleine Stadtwerke mit 15.000 Endkundenverträgen genauso wie für Versorger mit 500.000 Endkundenverträgen und mehr. Das Feedback aus dem Markt zeigt, dass wir mit dieser Strategie richtigliegen.

E&M: Zu Ihrer Strategie gehört auch, Haltung zu zeigen. Wie ist das zu verstehen?

Schwärzel: Das ist einerseits die Gesamtverantwortung für den End-to-End-Prozess, ohne Wenn und Aber. Und wir haben beim Launch von GY klar gesagt, dass wir uns der Verantwortung der Branche für die Energiewende und letztlich der Klimaziele bewusst sind. Wir können diese Verantwortung natürlich nicht allein schultern. Aber wir wollen dazu beitragen, dass die Energiewende gelingt und Kunden ihren Beitrag dazu leisten können und gleichzeitig damit unternehmerischen Erfolg haben. Dafür steht der Slogan ‚GY − die 500-Milliarden-Verantwortung‘ − die Zahl entspricht etwa dem Jahresumsatz der Energiewirtschaft. Die nachhaltige Versorgung sicherzustellen, verstehen wir auch als gesellschaftliche Aufgabe, die nur über die Zusammenarbeit vieler Akteure zu bewältigen ist. Auch wenn wir mit anderen Unternehmen im Wettbewerb stehen, brauchen wir die Bereitschaft zur Kooperation. Diese haben wir und wollen sie mit dem Kollaborationsansatz in GY auch umsetzen.

E&M: Was bleibt dann vom Wettbewerb?
 
Vier Kriterien für GY-Bewerber
 
Schwärzel: Das ist keine Absage an den Wettbewerb. Der ist wichtig. Ohne ihn würden sich die Unternehmen und der Markt nicht so schnell weiterentwickeln. Aber wir sind der festen Überzeugung, dass nur derjenige langfristig Erfolg hat, der bereit ist, Kooperationen und Technologiepartnerschaften einzugehen. Genauso ist es notwendig, Best-Practice-Lösungen vorzudenken. Die Geheimniskrämerei und das Taktieren, wie es in früheren Jahren vielleicht üblich war, führt heute nicht mehr zum Erfolg. Offenheit bezüglich der eigenen Strategie und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, auch wenn man teilweise überlappende Portfolien hat, sind aus unserer Sicht extrem wichtig.

E&M: Auf welche Resonanz stößt Ihr Kollaborationsmodell im Markt?

Schwärzel: Wir haben eine Shortlist von Unternehmen, mit denen wir künftig deutlich intensiver zusammenarbeiten wollen. Wir bekommen aber mittlerweile auch immer mehr Anfragen von Unternehmen, die Teil des GY-Netzwerks werden wollen, weil sie darin ein gewisses Vertriebspotenzial sehen und weil die Zugehörigkeit zu einem solchen Netzwerk sicherlich förderlich für die Reputation ist.

E&M: An welche Voraussetzungen knüpfen Sie die Zusammenarbeit?

Schwärzel: Für uns sind vier Punkte wichtig: Zum einen muss die Unternehmensstrategie zu unserer passen − das Mindset, die Haltung, die ich vorhin erwähnt habe. Zum anderen ist es wichtig, dass die Technologiestrategie mit unserer übereinstimmt. Ein Partner mit einer klaren On-Premise-Strategie ergibt für uns keinen Sinn. Das Unternehmen muss eine ganzheitliche Cloud-Native-Strategie haben. Drittens − das hört sich vielleicht banal an − müssen die Unternehmenskultur und die Sicht auf den Kunden zueinander passen. Das heißt, der Partner muss den gleichen Drive haben und immer die beste Lösung für den Kunden suchen, im Sinne einer Kundenzentrierung. Und schließlich müssen auch das Portfolio und die Synergien passen, sodass am Ende eins plus eins nicht zwei, sondern drei ergibt.

E&M: Haben Sie schon Partnerschaftsgesuche abgelehnt?

Schwärzel: Ja, das haben wir. Da hat es einfach nicht gepasst.
 
Nicht kundenorientiert, sondern kundenzentriert
 
E&M: Was macht für Sie eine Kundenzentrierung aus?

Schwärzel: Wir nehmen die Perspektive des Kunden ein. Das unterscheidet sich ganz gravierend von einer Kundenorientierung. Dieser Begriff fällt ja auch häufig, wenn es um die Nähe zum Kunden geht. Nach unserem Verständnis reicht die Kundenorientierung aber nicht aus, weil sich der Anbieter damit nur in die Nähe des Kunden begibt, aber nicht die Welt durch dessen Brille sieht. Uns ist wichtig, die Verantwortung für die End-to-End-Prozesse zu übernehmen − mit Partnern zusammen. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Wilken Software Group die Zufriedenheit des Kunden als oberste Leitlinie hat und nicht die Gewinnmaximierung. Wir sind Beziehungsmenschen. Deshalb konzentrieren wir uns auch auf die Energiewirtschaft in Deutschland und auf lokale Partnerschaften.
 
Der Wirtschaftsinformatiker Dominik Schwärzel ist seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen. Am 1. April 2019 wurde er Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der Wilken Software Group. Seit Januar 2021 ist er deren CEO
Quelle: Wilken Software Group


E&M: Manche Softwarehersteller kommen offensichtlich auch ohne Partner aus.

Schwärzel: Es gibt tatsächlich Anbieter, die erklären, sie könnten alles aus einer Hand anbieten. Es wird aber aus meiner Sicht keinem Softwarehersteller gelingen, alle Prozesse, die für die Wertschöpfungskette eines Energieversorgers relevant sind, aus einer Hand anzubieten. Ich glaube nicht, dass man gleichzeitig der Beste im Billing, der Beste im Energiedatenmanagement, im intelligenten Messwesen oder bei Kundenportalen sein kann. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht und wird es auf absehbare Zeit nicht geben, auch wenn jemand etwas anderes behaupten sollte. Deshalb haben wir uns für die Core-Strategie entschieden und arbeiten darüber hinaus mit Partnern zusammen.

E&M: Gibt es einen branchenweiten Konsens, was zum ‚Core‘ gehört?

Schwärzel: Den Kernbereich kann man schon in drei Bereiche unterteilen: erstens den gesamten Billing-Prozess inklusive Nebenbuch, zweitens das Energiedatenmanagement inklusive Portfolio- und Bilanzkreismanagement und drittens das Messwesen. Wobei wir der Auffassung sind, dass das Energiedatenmanagement auch von spezialisierten Partnern abgebildet werden kann. Und dann kommen noch die Zusatzdienste hinzu.

E&M: Was verstehen Sie unter Zusatzdiensten?

Schwärzel: Es ist beispielsweise kaum noch ein Thema, zumindest nicht für kleinere und mittlere Stadtwerke, in fremden Netzgebieten neue Kunden zu gewinnen. Stattdessen versuchen die Versorger ihre Position vor Ort zu stärken, die Kernprozesse zu optimieren und Mehrwertleistungen zu bieten. Diese Strategie passt sehr gut zu unserem GY-Ansatz. Deshalb decken wir auch Sparten wie den ÖPNV oder den Bäderbetrieb ab und ermöglichen über unsere Partner Zusatzdienste, die von Effizienzdienstleistungen über Kinoarten bis zu Eissporthallen und weiteren Event Locations reichen können.

E&M: Und das alles findet sich in der Cloud wieder?

Schwärzel: Ja, mit GY setzen wir auf eine Cloud-Native-Strategie. Wobei man unser System sowohl in einer Private Cloud als auch bei einem der großen Cloud-Anbieter betreiben kann.

E&M: Können Sie die Anliegen Ihrer Kunden gewichten? Häufig kann man ja den Eindruck bekommen, dass die Umsetzung regulatorischer Vorgaben die größte Herausforderung darstellt und damit die dringlichste IT-Aufgabe ist.

Schwärzel: Ich würde sagen, an erster Stelle steht das Tagesgeschäft nach dem Motto ‚run the system‘. Die meisten Geschäftsführer und Vorstände sind heutzutage froh, wenn das Kerngeschäft reibungslos läuft. An zweiter Stelle steht nach meiner Einschätzung die effiziente Gestaltung und Automatisierung von Prozessen. Dies ist vor allem dem andauernden Fachkräftemangel und eben auch der Regulierung geschuldet. Drittens, das gilt für die digitalaffinen Werke, geht es um Innovationen und weitere Geschäftsmodelle. Gerade bei diesem Punkt wollen wir neue Wege gehen, um die Umsetzung für die Stadtwerke erheblich zu beschleunigen.

E&M: Was bedeutet ‚erheblich‘?

Schwärzel: Es hat bisher nicht selten sechs Monate gedauert, bis ein Stadtwerk ein neues Thema auf die Straße gebracht hat, etwa den Wärmepumpenvertrieb, die Ladeinfrastruktur oder auch nur eine Rabattkarte. Wir wollen ihnen helfen, in vier Wochen ein neues Geschäftsmodell an den Start zu bringen, und ihnen ermöglichen, es acht Wochen zu testen. Das kann so schnell gehen, weil wir Blueprints und Templates vorgedacht haben, damit man nicht erst individuelle Anpassungen im System vornehmen muss, wie das bei anderen Anbietern bisher meist der Fall war. Außerdem fließt viel Input aus unseren Customer Experience Groups ein, die mittlerweile mit ihrem Themenspeicher unsere knapp 400 Kunden repräsentieren. Mit einem Pay-per-Use-Ansatz liegt die Investition für das Stadtwerk dann bei vielleicht 1.500 Euro pro Monat und nicht bei 200.000 für eine einmalige Volllizenz. 
 

Neues Logo, neues Selbstverständnis

Optisch wurde bereits am 16. Mai 2024, am „Wow-Tag“, der Schalter umgelegt. Bei der E-world 2025 stellte die Wilken Software Group dann die neue Marke im Detail vor: „GY“ Die Buchstaben stehen nicht als Akronym für einen bestimmten Begriff. Eine agile Entwicklungskultur, das Zusammenspiel mit Versorgern sowie strategische Kooperationen innerhalb eines Partner-Ökosystems sollen in GY ihren Ausdruck finden. Seit 47 Jahren ist Wilken als IT-Dienstleister am Markt. „Mit der neu gegründeten Familienstiftung sind wir weiter sicher aufgestellt, unser Selbstverständnis hat sich aber geändert“, sagte Dominik Schwärzel im Mai 2024. Denn nicht mehr nur die Familie Wilken treibe nun Veränderungsprozesse voran. Die Verantwortung werde künftig von allen Bereichen, Teams und Mitarbeitern getragen. Auch eine neue Innovationskultur, die zusammen mit den Kunden gelebt werden soll, ist Teil des Wandels. Als „Innovation as a Service“ soll sie ihren Ausdruck finden.

 
 

Fritz Wilhelm
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