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Quelle: Pixabay / slon_pics
ÖSTERREICH:
Regierungskrach um Österreichs Energieministerin Gewessler
Die Grünen-Politikerin will wenigstens das Elektrizitätwirtschaftsgesetz vor der Parlamentswahl im September noch beschließen lassen. Wegen eines Regierungskrachs ist dies unsicher.
 
Entschlossen, zumindest noch das Elektrizitätwirtschaftsgesetz (ElWG) der parlamentarischen Beschlussfassung zuzuführen, zeigte sich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einem Gespräch mit dem Österreichischen Rundfunk am 22. Juni. Die Ministerin konstatierte, leider habe der Koalitionspartner der Grünen, die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), „nach der politischen Einigung noch eine Ausrede gefunden“, um das ElWG dem Parlament nicht zuzuleiten. Wie berichtet, handelte es sich bei der „Ausrede“ um den Hinweis auf noch nicht veröffentlichte EU-rechtliche Bestimmungen, die für das ElWG relevant sind. Das Gesetz gilt als künftige Basis für das Agieren der Elektrizitätswirtschaft. Es soll das seit 20 Jahren in Kraft befindliche Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) ablösen. Gewessler betonte am 22. Juni: „Wir sollten unter das ElWG endlich ein Häkchen machen.“ Bekanntlich geht die Legislaturperiode dem Ende zu. Am 29. September wird das Parlament neu gewählt.

Inwieweit die ÖVP bereit ist, der Ministerin entgegenzukommen, ist indessen fraglich. Um Gewessler toben seit dem 17. Juni innerkoalitionäre Kontroversen. An diesem Tag hatte Gewessler gegen den ausdrücklichen Willen der österreichischen Konservativen im EU-Energieministerrat dem „EU-Renaturierungsgesetz“ zugestimmt und damit dessen Beschluss ermöglicht. Die ÖVP erachtete dies nicht nur als politischen Affront, sondern auch als verfassungs- und bundes- sowie EU-rechtswidrig. Sie erstattete gegen Gewessler daher Anzeige wegen Amtsmissbrauchs.

Die Argumentation: Gewessler habe sich bei ihrem Agieren nicht an die bundesgesetzliche Pflicht der Abstimmung mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) gehalten und sich ferner über einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz hinweggesetzt. Als Landeshauptleute werden die Ministerpräsidenten der neun österreichischen Bundesländer bezeichnet. Allerdings rückten die von den Sozialdemokraten gestellten Landeshauptleute der Bundesländer Wien und Kärnten vor mehreren Wochen von dem Beschluss ab. Dazu kommt: Die Landeshauptleutekonferenz ist im österreichischen Verfassungsrecht nicht verankert. Dass ihre Beschlüsse irgendeine rechtliche Bindungswirkung entfalten können, ist daher keineswegs sicher.

Fehlende Vertrauensbasis

Ferner verweigerten die der ÖVP angehörenden für Energiepolitik zuständigen Mitglieder von fünf der neun Landesregierungen die Teilnahme an der sogenannten „Landes-Energiereferentenkonferenz“ am 21. Juni. In einer Aussendung, die der Redaktion vorliegt, hieß es, Gewessler habe „bereits in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass ihr die Länderinteressen egal sind. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat nun die verfassungs- und rechtswidrige Zustimmung von Ministerin Gewessler zum EU-Renaturierungsgesetz trotz einer einheitlichen ablehnenden Stellungnahme der Bundesländer. Damit ist die nötige Vertrauensbasis für die politische Energiereferent/innen-Tagung heute nicht mehr gegeben.“

Darüber hinaus verwiesen die Landespolitiker auf die seit Januar 2023 laufenden Kontroversen über das geplante „Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz“ (EABG). Gewessler wolle „den Ländern und Gemeinden damit ihre Raumordnungskompetenz entziehen – ein absolutes No-Go.“ Freilich: Der seinerzeitigen Punktation des EABG hatten auch die der ÖVP angehörenden Mitglieder der Bundesregierung zugestimmt, allen voran Bundeskanzler Karl Nehammer.

Theaterdonner

Beschlussfähig war die Landes-Energiereferentenkonferenz am 21. Juni laut Aussagen der Grünen übrigens auch ohne die Teilnahme der ÖVP-Politiker. Beschlossen wurde unter anderem eine Aufforderung an Landwirtschaftsminister Totschnig und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP), die Nutzung der Geothermie rechtlich zu erleichtern. Dass auf Beamtenebene wie bisher weitergearbeitet wird, hatten die ÖVP-Landespolitiker in ihrer Aussendung festgehalten.

Bemerkenswert war auch deren Formulierung, die politische Vertrauensbasis sei „heute“ nicht mehr gegeben. Dies deutet möglicherweise bereits auf eine beginnende Entspannung nach dem Regierungskrach hin, bestätigten Kundige, die nicht namentlich genannt werden wollten, der Redaktion. Denn es besage, dass die Teilnahme der ÖVP-Politiker an künftigen Sitzungen nicht auszuschließen ist. Und in der Substanz sei der nunmehr eskalierte Konflikt der Konservativen mit Gewessler nicht neu.

Die bislang inoffizielle Blockade wichtiger energie- und klimapolitischer Anliegen der Ministerin, allen voran der Novelle zum Klimaschutzgesetz durch Teile der ÖVP, erfolge nun eben offiziell. Angesichts der bevorstehenden Wahlen sei eine gewisse Polarisierung zwischen den Koalitionsparteien für diese sogar wünschenswert – Theaterdonner wie den Schritt der Landes-Energiereferenten inklusive. Wie es heißt, soll die nächste Sitzung der Bundesregierung am 26. Juni wie vorgesehen stattfinden. Die Sitzung am 19. Juni hatte Bundeskanzler Nehammer kurzfristig abgesagt.
 

Klaus Fischer
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Montag, 24.06.2024, 09:34 Uhr

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